Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

100 dann Zwischenbrücken jeder Fragestellerin freundlich und kniff sie in die sonnen¬ verbrannte Wange. Sein Hauptgrund aber, warum er sich beim Kittelvolk au den Almen einschmeicheln wollte, war der, dem Steiner Loisl oder einem anderer Wilderer auf die Spur zu kommen. Denn schlau, wie er war, dachte er sich: vielleicht ist bei dem Weibsleuten was heraus¬ zubringen; denn das wußte er aus Zeitungen und Erzählungen, daß sich die Wildschützen gern bei den Sennerinnen aufhielten und in den meisten Fällen wohl auch ihre Liebhaber waren. Aber eben aus diesem Grunde brachte er nichts heraus, denn die Mädchen verrieten ihre Liebhaber nicht u. waren in diesem Punkte ausnahmsweise verschwiegen wie das Grab. Der „Zwobruckner Sepp“ ließ aber darum den Mut nicht sinken. Regel¬ mäßig machte er wöchentlich seine For¬ schungsreise in die Jagdbahn der Wilderer. Mittlerweile knüpfte er auch selbst ein kleines Liebesverhältnis an und zwar mit der schönen Rosel auf der Steffel bauernalm. Sie war die Tochter des Nationalrates Schoißwohl, welcher Gro߬ bauer und Bürgermeister von St.** * war. Dieses Verhältnis taugte ihm vor¬ trefflich. Er war bei der Rosel gut auf¬ gehoben. Sie schaute in jeder Weise auf ihn und sorgte stets für ein gutes Nacht¬ lager und vorzügliche Kost, denn „der Kerl war fuchtbar gfrassi“, wie Zwischen¬ brücken gern von sich selbst zu sagen pflegte. Die Rosel aber war eine kleine Diplomatin. Obwohl sie, wie wir gleich hören werden, auch noch anderweitig engagiert war, dachte sie sich: „Der Reichere ist der, Junggeselle ist er auch vielleicht heirat er mich noch . Und sic sah sich schon im Geiste als fesche und noble Geschäftsfrau die vornehmen Kunder bedienen. Unbehelligt und ungestört waren sie vollständig auf der Alm. Der Vater der Rosel hatte mit seinen politischen Geschäften vollauf zu kun, sodaß er den ganzen Sommer auch nicht ein einziges Mal auf die Alm kam, nicht einmal zur Jagdzeit, obwohl die schöne Gemswild¬ Jagd unweit der Alm sein Eigentum war Die Mutter aber kränkelte schon längere Zeit, ihre schlechten Füße erlaubten ihr wohl nie mehr den weiten Weg auf die hochgelegene Alm. Übrigens hatte sie vollauf zu kun, auf dem großen Hofe im Tal Dienstboten und Wirtschaft in Ordnung zu halten. Beide Eltern hatten zu ihrer sauberen Tochter das vollste Vertrauen und die Mutter begnügte sich, beim jedesmaligen Almauftriebe der Rosel zu sagen: „Bleib g'scheit, Dirndl, mach koane Dummheiten, du tuast dirs ja nur selba Die schöne Rosel hielt sich genau nach dem Brauche der Almen, deren Motto hieß: „Auf der Alm, da gibts koa Sünd. Denn sie hatte, wie schon gesagt, noch einen zweiten Verehrer und eigentlichen Liebhaber, und das war niemand anderer, als der berüchtigte Wildschütz Steiner Loisl. Die Rosel konnte ihn halt soviel gut leiden, den aubern, verwegenen Burschen mit seiner chneidigen Figur und den blitzenden Falkenaugen. Auch wußte sich der schlaue Loisl bei ihr ins rechte Licht zu setzen und sich als ein rechtes Unschulds¬ lämmchen hinzustellen. Und wie gern glaubte ihm die Rosel, wenn er ihr so vorerzählte: „Schau Rosel, immerschiabens mir all's in d’ Schnach! Wenn uns da¬ zumal der böhmische Förster in der Breitenau nicht garso kyrannisiert hätt, meiner Seel, ich hätt mei Lebtag koa Wildererrevolt nit anzettelt. Und gar erst, wenn i g’wußt hätt, wia sie's treiben, mit Handgranaten und Maschingwehr aufs Wild losgehen, na, da hätt i die Anführerstell garnit übernommen. Aber wia ma dann d'sammkracht san, da wars ganz an and'rer, i kunnk'n schon nenna, der den Förster daschossen hat, a rechta Hitzkopf is g’wen, aber i derf'n nit ver¬ raten, mein Kameraden, nit amal dir, Rosel, so gern i di hab“, so schloß er cheinheilig und erweckte als unschuldig Verdächtigter das heftigste Mitleid bei der Dirn und sie verdoppelte ihre Liebe und Zärtlichkeit für ihn. Auch hütete er ich wohl, im Revier ihres Vaters zu wildern und hielt dafür die Förster und

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