Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

Aber das nahm er sich vor, daß sein nächster Ausflug dem Steiner Loist gelten würde. Aber der Jagdherr fuhr fort vom Loisl zu erzählen, während der Barbier eifrig mit der Rasierklinge im eingeseiften Gesichte des Grafen schabte. „Ja, den Loisl müssen Sie kennen lernen! Er soll schon ziemlich viel auf dem Kerbholz haben, man beschuldigt ihn sogar, daß er einen Förster in den grünen Rasen gestreckt haben soll, aber das Gericht fand keine Beweise und die Bevölkerung nahm ihn in Schutz. Bewundern tun sie in ja alle, die Männer wegen seines tollkühnen Mutes, die Weiber aber sind halt verliebt in seine hohe, kernfrische Gestalt. Haben sie ja sogar gedroht, das Gefangenhaus zu stürmen, als ihr Held einmal in Untersuchungshaft eingezogen war. Ja, wie gesagt, Herr Zwischen¬ brücken, schloß er seine Erzählung, das wird der richtige Mann für sie, der liefert ihnen Wilderergeschichten in Hülle und Fülle. So hatte Herr Zwischenbrücken, wie es im Jägerjargon heißen würde, seinen C „Tip. Und er begab sich nun wirklich auf die Suche nach den Wilderern. Jeden Sonntag und Montag, den beiden Tagen. an denen sein Geschäft ohnehin gesperrt war und wo er sonst seine Ausflüge und Gebirgstouren gemacht hatte, fuhr er jetzt nach Molln, Reichraming oder Windisch¬ garsten, den Schauplätzen der Wilderer¬ affären. Zu diesen Fahrten rüstete er sich ganz ländlich aus, aber durchaus nicht „ übertrieben, in welchen Fehler viele Stadter verfallen, sondern geschmackvoll und der Gegend angepaßt. Da waren einmal der Lodenrock, die grüne Weste mit den großen Silberknöpfen, die verblichene, abgewetzte Lederhose, der grüne Steirer¬ hut mit dem Gamsbart, ferner graue Wadenstrümpfe und derbe Bergschuhe. Seine massige, gedrungene Gestalt kam in der Alpentracht erst so recht zur Gelbing, ja, —was freilich kein unbe¬ dingtes Erfordernis war sogar ein kleines Kröpfchen zierte seinen Hals. So 99 gut verstand er es sich zu kleiden, daß man ihn wohl eher für einen Jägers¬ mann oder einen Holzknecht im Sonn¬ tagsstaate halten konnte, als für den ersten Friseur und Haarschneider der Residenz. Und gar, wenn er den Mund aufmachte, war die Täuschung eine voll¬ ständige und jeder würde gewettet haben, er sei ein Hiesiger. Diese Praxis hatte er sich eben durch seine Vorträge und den Umgang mit den Landleuten erwor¬ ben. Und was die Kleidung betraf, o war er jeden Fasching bei den Bällen als Holzknecht, Bauer oder Wilderer erschienen. Nun aber zog er, wie gesagt, selbst aus, um einen solchen von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Doch anfangs ohne jeden Erfolg! Was er sich auch bemühte, ihnen auf ihre Schliche zu kommen, die Kerls waren furchtbar schlau und heimlich, umsomehr, als einige Vorfälle der letzten Zeit das Auge des Gesetzes zu schärferer Wachsamkeit veranlaßt hatte. Aber Herrn Zwischenbrücken machten seine anfäng¬ lichen Mißerfolge nicht viel. „I han ja Zeit!“ sagte er auf gut oberösterreichisch, heraußen auf dem Lande redete er immer im Dialekt. Inzwischen aber schloß er in der Gegend verschiedentliche neue Bekannt¬ schaften, was ihm bei seiner Leutseligkeit und seinem Talent als guter Gesellschafter, nicht schwer fiel. Bald war er ein gern gesehener Gast am Stammtische der Honoratoren und man freute sich jeden Samstag abends schon wieder auf sein Kommen. Aber auch mit den weiblichen Wesen knüpfte er zarte Beziehungen an, besonders mit den Sennerinnen auf den Almen, denen er manche faustdicke Schmeichelei sagte und mit denen allen er auf du=und=du stand. Bald hieß er unter dem Weibervolke nur mehr der „Zwobruckner Sepp; denn der ganze Name war ihnen zu lang und zeitraubend zum aussprechen, wie halt die Landleute chon praktisch sind. Überall, wo er sich blicken ließ, hieß es: „Na, was is, Sepp, kimst eh am Sunnta und Monta “ — „Ja freili, freili!“ antwortete wieder:

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