Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

98 studieren und seinen Wortschatz zu be¬ reichern. Unermüdlich war er da bei der Arbeit und oft konnte man ihn in der Bauernwirkshäusern still beobachtend in einer Ecke sitzen sehen und den Reden und Gebärden der Leute lauschen. Jedes Kind, jede saubere Bauerndirn oder ein des Weges kommendes Muatterl, zog er in ein Gespräch und bei seinem näch¬ sten Vortrage mimte er schon köstlick das geschreckte, stotternde Schulbüberl, das gschamige Bauernmensch, oder die zahnlose, kreischende Alte. Seine Spezi¬ alität aber waren Steinklopfer, Köhler, Einleger, Raufer und Dorflumpen. Mi allen hatte er schon Bekanntschaft gemacht und er führte auch stets ein Büchlein mit sich, in das er den Humor und die Poesie der Straße eintrug und später dann zu treffenden Witzen und köstlichen Gedichten verwertete. Es fehlte nicht an Komik und Mutterwiß bei seinen Erleb¬ nissen. Auch eine philosophische Bemerkung mußte er einmal registrieren. Gab ihm doch einst ein Dorflump in gänzlich defekter Kleidung, die Zwischenbrücken ihm zu flicken riet, zur Antwort: „Mehr Licht, Luft und Sonne, du mein holde Augenstern! Nur einer Sorte von Dorf= und der und nicht Gebirgsgestalten — uninteressantesten — hatte Herr Zwischen¬ brücken noch nicht zu Leibe rücken können und das waren die Wilderer. So einen wirklichen, waschechten Wilderer mitten im grünen Tann oder auf einsamer Felsenhöh bei seinem Tun und Treiben zu belauschen, das war Herrn Zwischen¬ brückens Sehnsucht seit langem, sein Trachten und sein Ziel, das zu erreichen er keine Mühe scheuen wollte. Wie oft agte er zu seinen Freunden und Be¬ kannten: „Kostets, was es kost! Aber einen wirklichen Wilderer muß ich noch sehen, bei frischer Tat möcht ich ihn erkappen, wie er grad einen Hirsch oder Gamsbock herunterknallt von der Wand. Ich werds schon noch erleben, ich geb nicht nach! Heimlich dachte er sich: Die Kosten bring ich schon herein. Was für einen herrlichen Stoff wird das geben und bekanntlich werden ja Wilderergeschichten am meisten gelesen und am besten bezahlt. Was haben zum Beispiel dem Gang¬ hofer allein schon seine Wilderergeschichten eingetragen! Undich kann endlich meinem — es war dies der Verleger Freund den Mund einer großen Jagdzeitung stopfen, wenn er wieder mit seiner blöden Fragerei „na, was ists, Josef, noch immer keine Wilderergeschichte?“ daherkommt. Eines Tages kam ein alter Aristokrat. langjähriger Kunde, eifriger Nimrod und elbst Besitzer einer ausgedehnten Jagd, in Herrn Zwischenbrückens Geschäft. Sie waren, wie gesagt, alte Bekannte und bald war daher unter der Arbeit des Rasierens ein eifriges Gespräch im Gange, in dessen Verlaufe auch der Barbier ihm eine Schmerzen und Wünsche klagte. „Ganz einfach“ sagte lachend der Jagdherr, „einen Wilderer muß man in einen Schlupfwinkeln aufsuchen. Da fahren Sie nach Molln in das Eldorado der Wilderer und streifen die ungeheuren Jagdgefilde von Molln, Breitenau, Bodinggraben bis nach Windischgarsten oder Hetzau und hinaus nach Reichraming ab, da werden Sie Wilderer genug be¬ gegnen und Skoff für Wilderergeschichten in Masse finden. Oder noch besser, unter¬ brach er sich, „setzen Sie sich direkt mit dem berüchtigten Wildererkönig Steiner Loisl in Verbindung. Um den hat sich ja schon ein förmlicher Sagenkreis ver¬ wegener Wildererstreiche gebildet. Nach dem Zusammenbruche hat er Wilderer¬ wesen oder beser gesagt=Unwesen förmlich organisiert und modernisiert, war auch Anführer einer Wildererrevolte und arbeitete mit den neuesten Waffen, indem er den in die Enge getriebenen Wilde mit Handgranaten zu Leibe ging oder mit Raketen und Leuchtkugeln in die latschenverwachsenen Felswände schoß, um die Gemsen aufzuscheuchen. Hochauf horchte Zwischenbrücken bei dieser Erzählung, er unterdrückte eine Bemerkung, daß es wohl auch bei den hohen und höchsten Herrschaften nicht immer waidmännisch zugegangen sei.

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