Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

60 friedenheit in Blick und Herz. „Ich bin glücklich, sagte er oft, und war doch weiter kein Anlaß dazu, als die Morgen¬ sonne, die hell und warm in die Dorf¬ straße hereinschien. „Ich bin glücklich, jauchzte er, wenn er durch Sturm und Regen bergan eilte, daß die Locken ihm flogen und die kühlen Tropfen ihm ins Gesicht sprühten. Und als er dann, als das ärmste Kind im Dorfe, zum Vieh¬ hüten bestimmt wurde und tagaus tagein m niedrigen Gras der Weide lagerte, da wiederholte er's aus tiefstem Herzen „Ich bin glücklich!“ So aber hatte das Glück es nicht gemeint. Sehnen sollte er sich nach un¬ erreichbaren Gütern und nicht an jenen alltäglichen Dingen seine Freude haben, an denen es gar keinen Anteil hatte. „Aber vielleicht bin ich selbst schuld daran,“ überlegte es dann. „Wie kann er sich nach etwas sehnen, wovon er keine Ahnung hat? Ich muß ihm's doch einmal aus der Nähe zeigen.“ Und es sann nach, welche seiner Gaben den Menschen stets am will¬ kommensten sei, und fand keine er¬ wünschtere als das Gold. Kamen da — als der Knabe schon zum Jüngling herangereift war — einige Bursche, die vor Jahren ausgewander waren, ins Dorf zurück, prahlten in den Schenken herum, warfen Goldstücke aus den Tisch und erzählten, daß wo in der Ferne das Gold in den Bergen zu Hauf liege; man brauche nur die Hand aus¬ zustrecken. Da geriet die ganze Jugend des Dorfes in Aufruhr und zog auf die Suche aus. Der Narr des Glückes zog mit. Wohl konnte er nicht begreifen, wie man sich um so etwas Ueberflüssiges er¬ eifern könne; aber eben, daß die an¬ dern es taten, ergötte ihn. Die Reise begann unter gegenseitigem Mißtrauen und lauerndem Beobachten. Als der Klügste von allen, der Anführer, an einem Kreuzweg die rechte Straße ein¬ schlagen wollte, da schrien zwei, drei andere, links müßten die Goldberge liegen, er wolle sie irreführen, um später den Schatz allein zu heben. Es gab blutige Köpfe und schließlich liefen sie nach allen Windrichtungen auseinander. Auch der Narr des Glückes zog allein seines Weges weiter und blickte dem Fluge der Vögel, dem Zuge der Wolken nach. Neben ihm blitzte und gleißte es in den Felsspalten auf von Goldadern, die das Glück hineingelegt hatte, bereit, sie unter der gierig zugreifenden Hand zerrinnen zu lassen. Aber er sah mit keinem Blicke hin und kehrte ohne Gold zurück wie all die andern auch, während die Gesellen, die jene Kunde gebracht hatten, zu lachen anfingen: Das Goldland läge a weit drüben, jenseits des Meeres. „Gold lockt ihn also nicht,“ dachte das Glück. Aber es besaß ja noch andere Köder: Ruhm, Wohlleben, Liebe die Liebe vor allem — und alle wollten es der Reihe nach an ihm versuchen. Einst ritt der Glücksnarr im Auftrag eines reichen Bauers nach einem ent¬ ernten Hofe, um dort etwas zu bestellen. Da geritt er in einen Zug glänzender Ritter, die zum Turnier nach des Königs Pfalz wollten. Laut scherzten und prahlten ie, waren schon jetzt von Kampfeseifer erregt, probierten wohl auch hie und da einige Hiebe und Stöße aneinander. Dann stritten sie heftig um die Aussicht auf den Siegeslorbeer — und dann wieder flatterte die Mär von des Königs Tochter auf, die ebenso spröde als schön sei, und daß ihr Vater, der sie über alles liebe, den Mann ihrer Wahl, und wäre er der ärmste Bauernknecht, zum Eidam und Thronerben anzunehmen gelobt habe. Lachend erwogen die Ritter, ob wohl einer von ihnen das Herz der Jungfrau erweichen werde. Der Narr des Glücks, anfangs von den stolzen, kühnen Reden mächtig angezogen, ward allmählich bang und verwirrt und blieb immer weiter zurück — auch hinter dem Gesinde, das sich noch verwegener auf¬ pielte und den baumstarken Bauern¬ knecht mit seiner Plumpheit neckte. Aber zu des Königs Pfalz folgte er trotzdem. Da ging es nun hoch her. Tage¬ lang währten die Kampfspiele, von Rüstungen glänzte der Plan, Speere

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