Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

59 Der Narr des Glückes. Ein Märchen von Carola Buschmann. grämten Züge doch von einem weichen Es pochte an der letzten Hütte des Lächeln erhellt, während sie in einen Dorfes. Ein Weib, jung noch, aber von Winkel wies, wo in dürftiger Wiege ein Mühsal und Elend gebeugt und halb Säugling schlummerte, — „hier ist ein erblindet, schob den Riegel zurück. Da Leben, das dich noch nicht entbehren tand das Glück auf der Schwelle. gelernt hat und nicht so lichtlos ver¬ so „Ich bin das Glück,“ sagte es kümmern soll, wie das meine. Ihm, recht großartig von oben herab. „Bisher meinem Schmerzenskinde, weihe ich dich gefiel es mir, dich zu übersehen, — heute zum Gefährten. Versprich, sein Leben gefällt mir's, dir alle meine Schätze hindurch nie von seiner Seite zu weichen! anzubieten“. Das ist mein Wunsch. „Bemühe dich nicht, es ist zu spät! Das Glück zögerte. Selbst in seiner sagte gleichmütig das Weib. großmütigsten Laune ist es nicht gewillt, An solche Abfertigung war das einem einzelnen zeitlebens treu zu bleiben; Glück nicht gewöhnt. Aber es war gerade und zwingen läßt es sich schon gar nicht. in mitleidiger Laune und wollte der Aber die Mutter ließ nicht nach: „Du Unglücklichen diesen Verstoß gegen allen hast es versprochen — hast mir das Ver¬ Brauch noch verzeihen. „Man sieht, daß prechen aufgedrängt, das ich nie be¬ du im Verkehr mit meinesgleichen nicht gehrte. Nun mußt du es halten! Du geübt bist, sagte es mit mildem Tadel. mußt! Mutterliebe, die leidet und ent¬ „Mich weist man nicht ab, verstehst du sagt und nichts für sich behält, ist ja Mich bittet man, recht oft wiederzu¬ allmächtig! Sie bannt dich nun an diese kommen und jedesmal mit einer noch Wiege! Gelobe, daß du mein Kind nie reicheren Bescherung als vorher! Je mehr verlassen wirst“ ich meinen Lieblingen schenke, desto an¬ Widerwillig neigte sich das Glück spruchsvoller werden sie: — so anspruchs¬ über den Knaben. Der war erwacht und voll, daß mich's endlich selbst verdrießt. blinzelte aus großen, dunklen Augen zur Deshalb komme ich heut zu dir“. Decke empor und schien das Glück gar „Du kommst zu spät,“ wiederholte nicht zu sehen. Das verdroß dieses noch Weib. „Ich habe mein Leben ohne das mehr. — „Gelobe mir's!“ flehte die einzurichten gewußt. Nun ist für dich dich — „Ich gelobe, dir stets zur Mutter. Raum mehr darinnen“. kein Seite zu weilen!“ sagte es da laut, setzte „Darum will ich dir ein neues aber leise hinzu: „Doch du sollst blind. reicheres Dasein schaffen,“ drängte das ür mich bleiben — wie du's heute bist. Glück. „Du weißt nicht, was du zurück¬ Wenn ich dir nahe bin, sollst du mich weisest! Ich will dir alles schenken, was nicht erkennen, sollst meinen Schatten, dein Herz je begehrt hat! Schön und der dich umgaukelt, in unerreichbare gesund will ich dich machen und reich Fernen nachirren, du Narr des Glückes! — Sage nur frei, was du und geliebt Damit lachte es auf und entschwand. wünschest! es ist im vorhinein gewährt! Das Kind wuchs heran, ward ein „Zum letztenmal, es ist zu spät, zu tiller Knabe, menschenscheu beinahe, aber spät für mich!“ rief das Weib ungeduldig. mit einer unversiegbaren, heiteren Zu¬ und nun wurden ihre ver¬ „Aber

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