Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

46 sammen, aber es erfolgte nichts weiter. Wieder war es still, nur die Glocke läutete feierlich und die Trommel rasselte. Der Zug verschwand in der Kirche. Keiner der Bauern folgte. Einen Augenblick noch standen sie still, dann kam Bewegung in ihre Reihen. Von allen Seiten stürzten zwischen den Häusern bewaffnete Bauern hervor und der Au erscholl: „Unsern deutschen Herrgott wölln wir wieder haben.!“ Früher war keine Waffe sichtbar gewesen, jetzt starrte der Platz von Waffen. Auf einmal könte die Glocke anders. Etliche hatten sich an den Glockenstrang gehängt und zogen mit Macht. Nun schlug der Schwengel stürmisch an die Glockenwand, die Glocke läutete Sturm, es war, als habe sich ihr Klang verzehnfacht. Und die Bauern riefen auch zum Sturm, sie überfluteten den Freithof, stürmten über die Kirchen¬ stufen, quollen in die Kirche. Das Brausen der Orgel verstummte jäh. In einem Nu war eine Gewalttat geschehen. Der Pfarrherr, der Oberpfleger und der Kommissar waren ins Freie ge¬ chleppt, bevor sie wußten, wie ihnen geschah, und ein wilder Bursch setzte ein altes Pistol auf Herrn Grünbachers Brust und drückte los. Herr Grünbacher glaubte, auf dem Fleck den Geist aufgeben zu müssen, aber das Pistol versagte; zweimal klappte der rostige Hahn auf die Pfanne, aber Herrn Grünbachers irdische Laufbahn war noch nicht zu Ende. Das Pistol wollte nicht losgehen und der Bursch warf es mit einem Fluch dem Pfarrer, dem sie gerade das Chorhemd in Fetzen vom Leibe rissen, ins Gesicht. Dazu mußte der Pfarrer die Schläge der Wütenden über sich ergehen lassen, die unter dem steten Rufen: „Wir wölln unsern deutschen Herrgolt, fort mit dem römischen Pfaffen!“ zuschlugen. Der Kommissar schrie, heftig gestikulierend, in die Menge, aber nie¬ mand hörte auf seine Rede. Endlich gelang es den bewaffneten Knechten, die drei Amtspersonen schützend zu umgeben und, sie in die Mitte nehmend langsam den Rückzug aus den Freitho anzutreten. Sie wollten ins Pflegeramt, aber das Tor des Hauses war geschlossen und bewaffnete Bauern hielten davor Wacht. Oben zeterte die Grünbacherin und warf unterschiedliches Hausgerät auf die Köpfe der Bäuern, die darob lachten. „Was nun?“ keuchte Herr Grün¬ acher und sah mit Entsetzen sein gutes Geschirr aus dem Fenster fliegen und unschädlich unter dem Hohnlachen der Bauern auf der Erde zerschellen. „Ins Haus,“ rief der Kommissar, „dort ist euer Weib allein, wir müssen die Frau und das Haus soll uns chützen. Euer Weib kann den Tod vor Schrecken haben. „Das wär das wenigste, stotterte Herr Grünbacher und hatte gewißlich in diesem ängstlichen Augenblick nicht über¬ egt, was er sagte. Dem Kommissar schwoll der Mut, denn er bemerkte, daß es die Bauern nicht auf sein Leben abgesehen hatten, und er schrie ihnen zu: „Was willst du, Bauernrotta, malefizische? Wagk ihr es, Hand an die Obrigkeit zu legen?“ Aber der Schuster Hans Scheichl von Frankenburg, der mit dem Bäcker Hans Neuhödl und dem Bauer Tobias Hörleinsperger den Oberbefehl über die Frankenburger Kirchenreinigung, wie die Bauern diesen Handstreich nannten, führte, lachte ihm ins Gesicht und rief: „Nach deinem schlechten Herrenblut sein wir gar nit lüstern. Insonderheit nit nach des Oberpflegers Blut. Das kunnt ja gar nit fleußen, mein i, weilen es vor Schrocken geronnen is. Und der Pfaff hat seine Schläg'. Die hatte er und gründlich auch. Er hing halb zerschlagen in den Armen zweier Knechte und das Blut troff von einer Stirn. „So laßt uns ins Haus,“ schrie der Kommissar. „Ins Haus?“ lachte Neuhödl, „in das kommt ihr nimmer. Wir wölln euer Leben nit, aber fort müßt ihr, ganz fort“. „Fort, fort!“ schrie die drängende Menge, gegen die die Soldknechte die Spieße gefällt hatten.

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