Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

er noch nichts geglaubt, sondern immer und ewig sein „Ich weiß nichts geraspelt. Er hat also einen Anhaltspunkt, etwas zu glauben. Was ist dies? Heraus mit der Sprach', heraus mit der Farb'. Er glaubt also —?“ „Ich glaub'“ schnappte der Amts¬ schreiber und wischte verstohlen den Schweiß von der Stirne, „daß seine Gnaden nil von selbsten wollen ihre Händ' in diese Affäre stecken, ohne daß es not tut sondern erst, wenn ein Faktum vorlieg mit anderen Worten: wenn etwas geschehen ist, was ihn zu einer Operatior zwingen tät. Der Oberpfleger rang nach Atem „Und das sagt er erst ißt? Wenn ein Faktum vorliegt! Wenn wir also von den malesizischen Rottierern allesamt er¬ schlagen sein! Und solches hat seine Gnaden selbsten gesagt? „Nein; wehrte der Schreiber „solches ist nur meine untertänige Opinion, mit Respekt zu vermelden. Die Versammelten lachten und der Pfarrer rief zürnend: „Mit solch un¬ fruchtbarem Gewäsch wird die kostbare Zeit vertrödelt“ Aber der Herr Oberpfleger mußte sich erst von seiner Empörung erholen. „Klapphuhn,“ redete er den armen Sünden an, der vernichtet dastund, „er ist ein Esel. Diese Opinion, so er hier zum besten — oder vielmehr zum schlechten gegeben hat, ist also auf seinem eigenen 74 Mist gewachsen „Euer Gnaden haben immer und immer wieder eine andere Antwort ver¬ langt,“ verteidigte sich der Schreiber, „so hab' ich halt eine andere gegeben.“ „Er ist das Brot nit wert, das er von mir bekommt,“ schrie der Oberpfleger, aber die Grünbacherin schnitt ihm die weitere Strafrede mit der düsteren Prophe¬ zeiung ab: „Wer weiß, ob wir sobald noch Brot essen werden,“ worauf Herr Grünbacher wieder in seine alte Angst verfiel und den Schluß der Rede ver¬ schluckte. Der Herr Kommissar sprach ge¬ wichtig: „Wer weiß, ob des Schreibers 45= Red' gar so unbedacht war. Daß ein Faktum vorliegen muß, ehebevor der Herr Statthalter mit eiserner Hand ein¬ schreitet, scheint mir nit so absurd“ „Herren, Herren, rief Don Bal¬ dassar Zalaoga ungeduldig, „welch ein Getrödel! Meine Stund' hat längst ge¬ schlagen. Und er zerrte mißmutig an den Spitzen seines Chorhemdes. „Es ist wahr, sagte der Kommissar und dann gebot er: „Herr Oberpfleger, nehmt denn die Sache in die Hand. Die Grünbacherin gab ihrem Ehe¬ herrn einen ermunternden Puff in den Rücken, worauf der Herr Oberpfleger dem Amtsschreiber befahl, den Zug, der Pfarrherrn geleiten sollte, zu stellen. den tob davon und die Herren verließen Der Zimmer. das Die Grünbacherin legte sich ins Fenster und blickte mit bösem Gesicht auf den Kirchenplatz. Der Zug verließ das Pflegeramt. Wie die Menge seiner ansichtig wurde, verstummte sie und machte eine Gasse bis zum Kirchentore frei. Es entstand eine beklemmende Stille, in der nur das Geläut der Pfarrkirche ertönte und das Schlagen der Trommel, mit dem der pflegerische Marklrufer den feierlichen Zug eröffnete. Voran ging der Trommler, dann folgten die pflegerischen Spießknechte. Hinter ihnen schritten die gräflichen Be¬ amten, sodann in feierlichem Abstand, von zwei Trägern von Kirchenfahnen lankiert, der neue Pfarrherr im Chor¬ hemd, Stola und Birett, dem Herr Grün¬ bacher zur Linken und der Kommissar zur Rechten ging. Die Freynschen be¬ waffneten Knechte schlossen den Zug, hinter dem der Amtsschreiber mit ge¬ bogenem Rücken wandelte. Er hatte das Protokollbuch unter dem linken Arm gezwängt und hielt die Tintenbüchse und etliche Federn in der Rechten. Ohne Gruß und Zuruf standen die Bauern zu beiden Seiten des Zuges, eng aneinander gereiht. Auf einmal er¬ scholl ein grelles Auflachen, höhnisch und chneidend. Herr Grünbacher zuckte zu¬

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