Und auf einmal stand mitten im Kreis ein junger Bauer, der war anzu¬ schauen wie Jung=Siegfried. Ein blau¬ äugiges Antlitz, von lichten Haaren um¬ geben, offene Züge, lichter Jugendflaum ober den vollen Lippen. Ein schwär¬ merischer Blick schaute in die weite Ferne und starke Hände umschlossen den Grif eines ungeheuren altertümlichen Zwei¬ händers, den er vor sich hingepflanzt hatte. War der Junge der Achaz Häupt von Seewalchen am Attersee, wo ihm troß seiner jungen Jahre der schönste Bauernhof am See eignete, den Häupl¬ hof, von dem die Eltern vor Jahresfrist plötzlich weggestorben waren. Stattlich spiegelte sich der Hof im Wasser des Sees und war der Achaz der staatlichste und schönste Jungbauer weit und breit und klopften die Mädchenherzen für ihn in heißer Sehnsucht. War bis nun still gesessen und hatte seinen großen Hunger und noch größeren Durst gestillt, aber ißt war es über ihn gekommen, daß auch er reden müsse. Und war ihm die Gabe gegeben, daß er die Worte so schön fügen konnte, wie der Pfaff in der Kirche, ja, schöner noch, denn er fügte die Sätze so an¬ einander, daß je zwei und zwei ein Gleichklang verband und die Hörer wonnig erschauerten, wenn der Jungbauer so redete und seine Rede war wie ein Gesang. So aber redete der junge schöne Achaz und blickte dabei in eine Ferne, i die nur er sah: „Von Seewolla bin zu euch herg’rennt, weil mi' euere Not hat ’brennt, die bittere Not mit Pfaffen und Herrn, von der wir uns selber be¬ freien wer'n; die Kümmernus um unsern heiligen Glauben, den sie uns wölln nach Kräften rauben, und die allerbitterste Herzensnot um unsern lieben deutschen Herrgott Sie jubelten ihm zu. Sein dichterischer Griff hatte tief in die Falten ihrer Seele gegriffen. „Unser deutscher Herrgott, unser deutscher Herrgott!“ brauste es mächtig durch die Stube. Der Achaz fuhr mit gesteigerte Stimme fort: „Und wie i bin über'n Anger g'loffen, 43 da war der Himmel auf einmal offen, und i hab g'sehen Jesus, Gott's Sohn, sitzen auf einem güldenen Tron und auf sein' Haupt eine demantene Kron'. Vor ihm tät ein Bauer bitten und beten: Herrgott hilf uns aus unseren Nöten. Durchstochen sein deine heiligen Füß' und Händ', aber unsere Wunden sein ohne End'; durchstochen is deine heilige Seiten, aber wie ein Strom fließen unsere Leiden; für unsere Erlösung hast du gestritten, so tu i di bei deinen heiligen Wunden bitten: Erhör uns, hilf uns, tu uns er¬ lösen von unseren Schindern und allem Bösen. Und der Herr Jesus hat ge¬ sprochen: Kindl mein, die Bauern meine liebsten Kindlein sein, denn sie sein die ärmsten von meiner Herden und Leid is ihr Teil auf dieser Erden. I bin bei euch. Und tut ihr euch auf, so wandle i euren Schritten vorauf. I bin der Fried und die Barmherzigkeit, aber über¬ menschlich schreit zu mir euer Leid. Drum will i, daß ihr euch selber sollt befreien und will euch meine heilige Kraft dazu leihen. I werd vor euren Fahnen fliegen, i werd für eure Sach' streiten und siegen. Auf, auf, für meine deutschen Lehr, auf, auf, in den Streit, mit Waffen und Wehr! Was ihr tut, das tut ihr in meinem Namen. Auf, auf, auf, auf, ihr Bauern — Amen!“ Da war kein Halten mehr. Die ent¬ esselte Begeisterung jubelte zügellos auf. Kannen, Krüge und Schemel stürzten, ie umarmten den jungen Achaz, der mit einem schönen Lächeln dastand, froh seiner Worte und seiner Kraft. Sie schwenkten die Spieße, Sensen und Igel und ihr Schreien erscholl: „Der deutsche Herrgolt, 44 die deutsche Lehr' Auf, auf, ihr Bauern! „Was, wir sollen warten?“ „Nein! „Nein, nein, nein, nein!“ „Jesus ist mit uns, seine heilige Lehr is mit uns! Der Fremde packte Schnappsack und Stecken und drückte der Wirtin das Zehr¬ geld in die Hand. Er schritt vor. Vor ihm tat sich eine Gasse auf. Keiner legte Hand an ihn, aber sie wichen vor ihm zurück.
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