Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

für viele diese Art von Ausstellungen neu war, war der Besuch dennoch ein unge¬ mein zahlreicher, was im Interesse der guten Sache sehr zu begrüßen ist. Und nun zu den Veranstaltungen Der Steyrer Festausschuß hatte nicht we¬ niger als sechs von einander gänzlich verschiedene, jede in ihrer Eigenart ganz einzige Veranstaltungen den Gästen und Einheimischen geboten, die, um es gleich zu sagen, durchwegs völlig gelangen und einen wahren Massenbesuch aufzuweisen hatten. Wer hätte je geglaubt, daß die uralte romanische Halle, die gemütliche „Gmoanstubn“ und der ungemein stim mungsvolle, lauschige Garten im ehrwür¬ digen Bürgerspital ein derart lebhaftes Leben und Treiben, dem auch der Bundes¬ präsident und der Landeshauptmann sich hingaben, finden würden. Wahr¬ haftig, dieser „Dämmerschoppen“ wird allen Teilnehmern unvergessen bleiben Tags darauf wogten einige Tausend Men¬ schen in den lieben alten Hof des Real¬ schulgebäudes, um den drei Freilicht¬ spielen von Hans Sachs (Das heiß Eisen, der tote Mann, Gefolgschaft der Venus) beizuwohnen. Im magischen Lichte von Fakeln und Scheinwerfern ging das vierhundert Jahre alte Spiel vor sich, in den Rahmen der Veranstaltung sich aus¬ gezeichnet einfügend und erntete so gro¬ ßen Beifall, daß es eine Woche später wiederholt werden mußte. Den Höhepunkt jedoch an Stimmungsgehalt erreichte unbestritten die Ennsfluß= und Ufer¬ beleuchtung am Samstag den 12. Juli. Die fast andächtige Weihe dieses milden Sommerabends wird unvergessen bleiben in allen Herzen und noch viele Jahre wird man von diesem ganz einzigen, schier venetianisch anmutenden Bilde sprechen Es ist auch kaum einer Stadt beschieden, ein so unendlich reizendes Bild, wie es der Zusammenfluß von Enns und Steyr, umgeben von den lieben alten Bürgers¬ häusern, gekrönt von Schloß, Michaeler¬ kirche, Stadtpfarrturm und Tabor bietet zu besitzen. In allen Fenstern zitterten und blinkten die Lichter, im Wasser sich spie¬ gelnd, beleuchtete Boote glitten langsam 19 den Fluß herab, die Irrlichter eines Feuer¬ werks sprühten über die Wellen und Raketengarben bildeten feurige Triumph¬ bogen über den Zusammenfluß. Die Türme hingen, durch Scheinwerfer erhellt, gleich¬ am in der Luft und am Tabortürmchen schwankte die grün=weiße Fahne im ma¬ gischen Lichte schemenhaft hin und her. Dazu an allen Ufern, auf allen Brücken Dächern, Anhöhen, in allen Fenstern, auf allen Straßen und Plätzen, eine festlich gestimmte vieltausendköpfige Menge, die die dieses ganz einzige Schaustück, das Steyr noch nie in solcher Pracht erlebte, in vollen Zügen genoß. Da pochten wohl die Herzen höher in Liebe zur schönen deutschen Heimat — und das sollten sie ja! Am letzten Tage des großen Hei¬ matfestes galt es, zuerst dem Meister der Töne, Dr. Anton Bruckner, der ja Steyr ungemein liebte, eine Ehrung zu bereiten, die in würdigster Weise durch die Auf¬ ührung seiner klangvollen D=moll Mes¬ se unter Prinz's Leitung in der ehr¬ würdigen Stadtpfarrkirche vor sich ging. Der Nachmittag gehörte der Masse der Bevölkerung, welche in einer wahren Völkerwanderung, mit Benützung aller Verkehrsmöglichkeiten zum Burgfeste nach Losenstein strömte. Das alte, lie¬ be Losenstein mit seiner schönen Ruine, die Stätte des Sängers der Alpen, An¬ ton Schosser, das einstige Eldorado der Nagelschmiedekunst, hat seit seinem Bestande noch nie einen solchen Massen¬ besuch gesehen. Schöne, alte heimische Trachten waren zu sehen, alte Volks¬ lieder erklangen, Ländler und Steirischer wurden unermüdlich getanzt und abends erstrahlte der Ort und die Ruine in ma¬ gischem Licht. Die übergroße Anzahl den Besucher ließ freilich keine intimere Stim¬ mung entstehen. Die Eisenbahn mußte ihre ganze Kunst aufbieten, um die Massen ihrem Wohnorte wieder zu¬ zuführen. Daß der Festausschuß nicht versäumte, in diesen Tagen den Besuchern das „Kripperl“ im neuen schönen Heim des Museumsgebäudes vorzuführen, ist wohl selbstverständlich. Groß und Klein ergötten 2*

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