Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

Die Familienehre. Nachdruck verboten.) Skizze von H. Nordhoff. Das schwarze Schaf der Familie —— und dann wie du ja weißt, chien sich durchaus nicht unglücklich zu mein lieber Sohn, gibt es ja nichts, das ühlen. ich so hochstelle, wie die Ehre unseres Die Begrüßung der beiden Brüder Namens, unserer Familie. — Alle unsere war alles andere nur nicht herzlich, um Vorfahren, ohne Ausnahme, haben nie nicht direkt zu sagen, eisig. Der Graf den geringsten Flecken auf unserem berührte kaum die Fingerspitzen der ihm Wappenschilde geduldet. entgegengestreckten, wohlgepflegten Hand. Es gibt in Berlin manches, das dir „Guten Tag, Albrecht. schön, verlockend erscheint, und doch, Gotl „Guten Morgen, lieber Bruder. Ich weiß es, ich bete immer zu ihm, daß du fürchte, ich komme ziemlich ungelegen nicht zu oft mit Onkel Albrecht zusammen¬ köre. und kommen mögest. — Jeder weiß, daß ich „Durchaus nicht, Albrecht. Ich warte der letzte bin, der über die Famile etwas eigentlich ständig auf deinen Besuch. Schlechtes sagen würde, aber du brauchst Der Jüngere sah rasch zu dem nur an sein Leben zu denken. Grafen auf. Sei im Verkehr mit ihm vorsichtig. „Soll das ein Kompliment sein?“ Vor allen Dingen laß dich von seinen „Wie du es auffassen willst. Freunden und Freundinnen nicht ver¬ Nimm bitte Platz.“ führen. — Denke immer daran, daß du „Falls du beabsichtigen solltest, mich dereinst der Träger meines Namens bist, — zum Mittagessen einzuladen, muß ich dir Mögen halte die Familienehre rein. (C gleich von vornherein erklären, daß ich deine Hände für immer wirklich keine Zeit habe, also bitte, ver¬ Es klopfte an der Tür und auf das uche nicht, mich zu überreden. Es fährt „Herein“ des Grafen erschien ein Diener, ein Zug kurz vor 12 Uhr, vielleicht bist der auf silbernem Tablett eine Visiten¬ du so freundlich mir dein Auto zur Ver¬ karte trug. fügung zu stellen, der Weg zur Station „Mein Bruder?“ sagte der Graf ist verflucht weit. erstaunt, „ich lasse bitten. Ueber des Aelteren Gesicht ging es Der Graf schob den Brief, den er — Der wie ein erleichtertes Aufatmen. gerade an seinen Sohn schrieb, hastig Jüngere konnte, als er es sah, nur mit unter die Schreibunterlage und erhob Mühe ein ironisches Lächeln verbergen ich, um seinem Besuche entgegen zu „Du hast wohl nichts dagegen, wenn gehen. ich gleich mit der Tür ins Haus falle. Die beiden Brüder waren so ver¬ fuhr er dann fort. „Es wird dir wohl schieden wie Tag und Nacht. Der Gra nicht schwer fallen, zu raten, was mich groß und mager, das Gesicht ernst, sat heute zu dir treibt. finster. Der jüngere Bruder Albrech — Wie gewöhnlich“, er¬ „Geld! kurz und kräftig gebaut, man sah ihm widerte der andere kurz. den Sportsmann schon auf tausend Schritt „Das hast du wunderbar geraten, Entfernung an. Ein lustiges, zufriedenes großartig. Natürlich Geld.“ Lächeln spielte fast ständig um seinen Der Graf zog die Augenbrauen zu¬ schön geformten Mund, und aus seiner sammen. hellen blauen Augen lugte der Schalk

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