38 Als Antwort langten die Männer mit Geräusch nach ihren Waffen und mach¬ ten sich zum Aufbruch bereit. „Ich muß jetzt nach der Kreisstadt.“ sagte Cingalya. „Ich rate euch, laßt den Grafen nicht entfliehen. Bewacht ihn gut. Vielleicht seht ihr mich erst über¬ morgen wieder, bis dahin dürft ihr den Grafen nicht aus den Augen lassen.“ Sie bestieg einen kleinen Wagen und in Begleitung eines ihrer Verwandten fuhr sie in der Richtung der etwa vier Stunden entfernt gelegenen Kreisstadt. Was sie vor hatte, wußte keiner im Lager der Zigeuner. Man tat, was sie befohlen, allein Stunde um Stunde ver¬ trich und Cyngalya wollte sich nicht ehen lassen. Der Tag, an welchem Ferencz Nyulassy hingerichtet werden ollte, brach an und Cingalya war noch immer nicht erschienen. Der große Marctplatz in der Kreis¬ stadt Nagy=Föderöß, auf welchem die Hinrichtung des Ferencz Nyulassy statt¬ finden sollte, war mit Neugierigen sörmlich Kopf an Kopf gedrängt. Um die sechste Morgenstunde sollte die Hin¬ richtung stattfinden. Nun fehlte nur noch eine halbe Stunde bis dahin. Unter den vielen hunderten von Menschen, die den Marktplatz füllten, sah man eine Un¬ zahl Zigeuner, sehr viele Csikos und andere Leute mehr, die den größten Teil des Jahres auf der Pußta zubrachten. Plötzlich ließ sich das Armesünder¬ glöcklein vernehmen. Unter ohrbetäuben¬ dem Lärmen drängten die Leute mit einem Ungestüm nach vorwärts, daß das ausgerückte Militär alle Mühe hatte, den Platz vor der Richtstätte und den Weg, der zu dieser führte, frei zu halten. Und wie groß der Lärm auf dem Marktplatze noch eben jetzt war, so tief war die Stille, als man des Delinquen¬ ten ansichtig wurde. Die Richtstätte war erreicht. Ferencz verließ den Karren, das Urteil wurde ihm noch einmal vorgelesen, der Stab wurde über ihn gebrochen und dann wurde er dem Henker übergeben, damit dieser das Todesurteil vollstrecke. Viele Frauen schluchzten laut auf, Männer schimpften über Ungerechtig¬ keit, eine ungeheure Bewegung entstand unter der Menschenmenge, als Ferencz die Stufen betrat, die zu dem Galgen führten. Einen Augenblick schien es, als müßte das spalierbildende Militär von der schreienden, drängenden und stoßen¬ den Menschenmenge erdrückt werden. Das Spalier in der unmittelbarsten Nähe der Richtstätte war auch schon von einer Schar wilder verwegener Männer, dem Anscheine nach Zigeuner, bereits durchbrochen, als ein Ereignis eintrat, das die ganze Situation mit einem Schlage total veränderte. Die Männer die jetzt noch voll Haß und Wuth das Schaffot stürmen und den Delinquenten befreien wollten, blieben plötzlich stehen und jauchzten himmelhoch auf, Frauen weinten vor Freude und diejenigen, die eben erst über Ungerechtigkeit schimpften schwenkten die Mützen und priesen ju¬ belnd die Gerechtigkeit der Richter. „Pardon! Pardon!“ drang es wie ein Jubelgeschrei aus tausenden Kehlen, indeß aller Augen einen Reiter ver¬ folgten, der, ein weißes Tuch, das Zeichen der Gnade und Freiheit schwen¬ kend, mit verhängten Zügeln daherge¬ sprengt kam. „Die Freiheit unter dem Galgen! Ferencz Nyulassy hatte bereits die Schlinge um den Hals, als ihm ange¬ zeigt wurde, daß ihm nicht nur das Leben geschenkt, sondern er auch der Freiheit wiedergegeben sei. Als dies die Leute erfuhren, waren sie kaum mehr zu bändigen. Sie durch¬ brachen den Militärkordon, stürmten dem Galgen zu und es hätte nicht viel gefehlt, so würden sie den Henker und eine Knechte gelyncht und den halb¬ toten Ferencz Nyulassy wie einen Triumphator auf ihren Schultern nach der Stadt getragen haben. Hier herrschte Jubel und Freude, im Schlosse des Grafen Achmilin hingegen ah man nichts als bestürzte Gesichter. Fast zur selben Stunde, zu welcher sich der traurige Zug nach der Richtstätte
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