36 Höhe. „Nein!“ riefen alle wie aus einem Munde aus. „Ferencz hat nicht auf den Achvala geschossen. Den Schuß hat ein anderer abgefeuert. Aber wer?“ Ja, das war eine Frage, die keiner von ihnen genau beantworten konnte. Den Ferencz Nyulassy hielten alle für unschuldig, sie konnten sich nicht ver¬ hehlen, daß die Lage des Verhafteten eine äußerst gefährliche war, und zwar dadurch, weil der sehr einflußreiche Graf Achmilin den Ferencz mit aller Be¬ stimmtheit als den Mörder des Achvala bezeichnet. Blieb er in Haft, so war eine Verurteilung vorauszusehen. Um den Verhafteten zu retten, faßten sie nach längerer Beratschlagung den Ent¬ chluß, ihrem Kameraden am nächsten Tage bei Gelegenheit seiner über¬ führung in das Komitatsgefängnis zur Flucht zu verhelfen. Dieser Plan wurde denn auch mit aller Vorsicht ins Werk gesetzt. Am nächsten Tage zeitig in der früh hiel¬ ten sich an hundert Männer, Pferde¬ und Schafhirten, Zigeuner und wan¬ dernde Musikanten in der Nähe des gräflich Achmilinschen Schlosses ver¬ borgen und warteten auf den Augen¬ blick, wo Ferencz mit seiner Eskorte auf der Straße erscheinen werde. Endlich trat der Erwartete in Be¬ gleitung einiger Panduren zum Schlo߬ tor hinaus. Aber welche Überraschung für diejenigen, die hier erschienen waren, um ihm zur Freiheit zu ver¬ helfen! Ferencz wollte nicht befreit sein, er wollte nicht seinen Kameraden in die Freiheit folgen. „Ich bin unschuldig,“ sagte er. „Und als einen Schuldlosen muß mich das Gericht anerkennen, wenn es in Ungarn überhaupt noch eine Gerechtigkeit gibt.“ Schon wollte der Graf zu Ferencz sagen, daß er ihn freigebe und daß er von dem Morde nur die einfache An¬ zeige bei Gericht erstatten werde —da iel sein Blick auf die an dem Schlosse — vorbeifuhrende Heerstraße, auf der so¬ eben eine Eskadron Uhlanen jedenfalls auf dem Marsche in einen anderen Gar¬ nisonsort im Begriffe war. Und an der Spitze dieser Reitertruppe befand ich ein mit dem Grafen intim befreun¬ deter Oberleutnant. „He, Fedor, rief Graf Achmilin durch das Parkgitter dem Kommandan¬ ten der Eskadron zu, „ich bitte dich, befreie mich von dem Gesindel, das mein Schloß belagert hält. Dieser Mann hier ist ein Mörder und die Leute draußen vollen ihm zur Flucht verhelfen.“ „Herr,“ sagte Ferencz, „ich bin kein Mörder. Sie wissen recht gut, daß ich auf den Geza Achvala nicht geschossen habe.“ „Schweig! Du warst es, der die Kugel auf ihn abgefeuert hat. „Ich war es nicht, so wahr mir Gott einst in meiner Sterbestunde helfen möge. Herr Graf, ihr Wort ist imstande, mich zu verderben —“ „Siehst du das ein? Und verlangst du etwa von mir, daß ich dich, einen 97 Mörder, schonen soll: „Herr Graf, ich habe eine alte Mutter, einen alten Vater, vier Ge¬ 7 schwister „Und eine saubere Geliebte,“ höhnte der Graf. „O, seien Sie gerecht! Sehen Sie mich vor Ihnen auf den Knien liegen. Mit erhobenen Händen flehe ich Sie an, handeln Sie gerecht und sprechen Sie die Wahrheit. Sie wissen, daß ich nicht der Mörder des Geza Achvala bin.“ „Jetzt hab' ich die Sache satt. Heda, Panduren,“ rief der Graf zum Park hinaus, „nehmt den Mann wieder in eure Mitte und führt ihn ab. Die Reitereskadron wird jedenfalls bei euch bleiben zu eurem Schutze.“ „Das war Hilfe in der Not,“ sagte sich der Graf, als der nun wieder ge¬ fesselte Ferencz Nyulassy in der Mitte einer ganzen Eskadron Soldaten gegen die nächste Kreisstadt zog. „Cingalya hat recht,“ fügte er hämisch lächelnd hinzu, „ich habe zwei Fliegen mit einem Schlage getroffen . .. Aber wenn das Mädchen plaudern würde! Pahl Mein
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