„Der dich jetzt noch verstimmt?“ „Ja.“ „Dann mache eine kleine Morgen¬ fahrt und die kühle Luft wird deinen Nerven gut tun. „Ja, ich werde ausfahren und einige Einkäufe besorgen. Willst du noch Tee?“ „Nein, ich danke.“ „Dann gehe ich gleich deinen Rat be¬ folgen. Auf Wiedersehen! Bruno reichte seiner Gattin, wie er bei jedem Abschiede zu tun pflegte, die Hand. Lydia legte ihre wie im Fieber glühende Hand in die seine, entzog sie ihm aber auch schon im nächsten Augen¬ blicke. So qualvoll wie dieses erste Zu¬ sammentreffen nach dem Maskenballe, waren alle folgenden. Nach einiger Zeit gewann Bruno wieder mehr seine ge¬ wöhnliche Laune, obwohl er auch dann noch oft zerstreut und nachdenklich blieb. Gegen Lydia war er zärtlich und liebe¬ voll wie immer. Sie aber war unfähig, hm freundlich wie sonst zu begegnen und schützte ein nervöses Kopfweh als Ursache ihrer tiefen Niedergeschlagenheit vor. Bruno war offenbar weniger be¬ orgt als sonst und ihr war es eine Er¬ leichterung, daß er nicht mit ängstlichen Fragen in sie drang. Eines Tages trat er mit freudestrah¬ lender Miene, ein Buch in der Hand, in das Zimmer seiner Gattin. Es war sein Werk, das er eben erhalten und das er ihr überbrachte. „Hier, meine Teure,“ sagte er, zu ihr tretend, „ist die Geliebte, auf die du eifer¬ „ suchtig gewesen, der Name, welcher auf diesem Blatte steht,“ fügte er hinzu, das Widmungsblatt aufschlagend, „ist meinem Herzen mit unverlöschlichen Lettern ein¬ geprägt — es wird ihn nie vergessen können.“ Krampfhaft griffen Lydias Hände nach dem Buche und unfähig, die Tränen zurückzuhalten, erhob sie sich, ohne ein Wort hervorzubringen und verließ das Zimmer. Wie falsch und gleisnerisch waren — wie schrecklich nicht seine Worte 13 mahnte sie dieses Buch an ein Glück, das sie besessen und auf immer verloren hatte! Lydias nervöses Leiden mußte dieses eltsame Benehmen bei dem Gatten ent¬ schuldigen, aber daß er auch unter diesen Launen zu leiden begann, zeigte seine wachsende Verstimmung. Umsonst hatte Lydias Freundin sich bemüht, Bruno zu verteidigen und seine Galanterie gegen die Maske als einen harmlosen Scherz darzustellen; nichts vermochte Lydia umzustimmen und ihr Urteil über den Gatten, den sie einen Treulosen nannte, zu ändern. So rückte der 4. März heran. Als Lydia an diesem Morgen erwachte ach nein, sie erwachte nicht, denn hre Augen hatten sich nicht auf einen Augenblick in wohltuendem Schlummer geschlossen; als sie ihr Schlafzimmer verließ und den Salon betrat, fand sie ihn mit den seltensten Blumen ge¬ schmückt und schöne, mit feinem Ge¬ schmack für sie gewählte Geschenke dort ihrer harrend. Bruno kam ihr freundlich entgegen und schloß sie zärtlich in die Arme. Mit wehmütigem Lächeln be¬ trachtete sie die Geschenke und dankte ihm dafür; sie war heute selbst gegen ihn weicher gestimmt und wollte sich, wenn es möglich war, noch auf Minu¬ ten der süßen Täuschung hingeben, sich wirklich geliebt zu wähnen. Beide Gatten waren ungewöhnlich früh aufgestanden, der Tag war schön und zu dem Ausfluge, den sie vor hatten, wohl geeignet. Das Frühstück wurde in keiner hei¬ teren Stimmung eingenommen, denn auch Bruno war bald wieder ernst und schweigsam geworden. Nachdem er einige Male auf die Uhr gesehen, erhob er sich, um, wie er sagte, einen Gang zu machen. „Zu Mittag treffe ich dich hoffentlich heiterer, meine Liebe,“ sagte er, nicht ohne ein Zeichen der Verstimmung, Lydia die Hand reichend. Sie hätte in Tränen ausbrechen mö¬ gen bei dem Gedanken, daß von heute Seite unbesetzt an ihr Platz an seiner
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