2 bei, indem er einige schwere Tropfen Blutes von seiner Stirn trocknete, „ist ja nur unbedeutend, nicht so der Dienst, den Sie mir geleistet. Er ist eine Schuld, die ich nie vergessen werde. Wenn ich sie je bezahlen kann, so soll es geschehen. Vielleicht bietet sich mir noch einmal die glückliche Gelegenheit, für Sie zu tun, was Sie heute an mir getan haben.“ „O nein, lachte der junge Mann, „diese Hoffnung wollen wir doch nicht hegen!“ „Wer weiß? In diesen Zeiten?“ er¬ widerte der Reisende. „Doch wie dem auch sei, wir müssen jetzt scheiden. Aber lassen Sie mich, ehe ich gehe, den Namen meines Beschützers erfahren!“ „Gustav Graf von Reynand,“ lautete die Erwiderung, und der Reisende zuckte bei diesen Worten zusammen. „Graf von Reynand?“ wiederholte er mit bebenden Lippen und zog die Stirn in düstere Falten. „Ein Graf! ein Avisto¬ krat! Mein Leben von einem Aristokra¬ ten gerettet! Aber bah, was tut dies Hoch oder nieder, Sie sind doch mein Be¬ schützer, mein Freund, und wie ich schon vorher sagte, wenn je die Zeit kommen sollte, wo Sie einer schützenden Hand bedürfen, gleich wie es heute bei mir der Fall war, so erinnern Sie sich des Na¬ mens Danton. II. Graf Gustav von Reynand kehrte ganz ruhig, als ob gar nichts vorgefallen wäre, auf sein Schloß zurück. Er hatte längere Zeit in Paris zugebracht, aber nach dem Tode seines Vaters schien er des Lebens und Treibens der Großstadt überdrüssig zu werden, zog sich vom Hofe, an dem er eine gefeierte Persön¬ lichkeit gewesen, zurück und widmete sich der Verwaltung seines fürstlichen Gutes. Lange konnten sich seine alten Freunde nicht erklären, warum er sich von ihnen getrennt; bis sie endlich den Schlüssel zu diesem Rätsel fanden, sein Geheimnis entdeckten. Gustav von Reynand, der verwöhnte Günstling der höchsten Aristo¬ kratie, liebte ein schlichtes, aber schö¬ nes und tugendhaftes Landmädchen, und da es nur ihrer Einwilligung bedurfte machte er sie zur Gräfin von Reynand. Zwei Jahre ungetrübten Glückes waren für die jungen Leute dahin¬ geflossen. Sie behandelten ihre zahl¬ reiche Dienerschaft, sowie die von ihnen abhängigen Pächter stets mit Güte und Leutseligkeit und waren nur auf das Wohl derselben bedacht. So kam es, daß der Name des edlen Grafen und seiner holden Gattin immer nur mit einem Segenswunsche begleitet, ausgesprochen wurde. Im Jahre 1788 hatte das Wetter in der Umgebung von Nancy großen Scha¬ den angerichtet, heftige Stürme und Regenschauer hatten die Ernte vernichtet, an den Weinstöcken sah man keine Reben und auf den Feldern keine Früchte; aber der Graf und die Gräfin von Reynand waren von unermüdlicher Wohltätigkeit sie suchten auf jede Art ihre Untergebe¬ nen für ihre erlittenen Verluste zu ent¬ schädigen, und aller Herzen schlugen dem jungen Paare in warmer Dankbarkeit entgegen. Doch nein, nicht aller Herzen! Franz Gautier, ein Farmer auf des Grafen Landsitz, machte eine traurige Ausnahme. Er haßte den Grafen und die Gräfin mit einem wahrhaft blinden Hasse, wie nur Eifersucht und Neid ihn erzeugen können. Von seinen Knabenjahren an liebte Franz Gautier die schöne Felice Em¬ monet, die nunmehrige Gräfin Reynand, aber diese Liebe war nie erwidert wor¬ den. Als er sah, daß der Graf das Herz des jungen Mädchens gewonnen hatte, da verwandelte sich seine Liebe in Haß. Schrecklicher Neid nagte an ihm, ver¬ wandelte das Blut in seinen Adern in Galle, und Tag für Tag, Monat für Monat beobachtete er mit scheelen Augen das Glück des jungen Paares. Gautier dürstete nach Rache; das un¬ erwartete Glück seiner Gutsherrschaft machte ihn wütend. Er empfand seine Stellung, die für seinen Verstand und für sein Wissen wirklich ungenügend schien, als einen scharfen Dorn, der ihn
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