draußen war, sagte sie zum Doktor: „Ein hübsches Mädchen — kennen Sie es?“ „Nein,“ klang es gleichgiltig zurück. „Aber an Ihrer Stelle würde ich heute keinen Besuch angenommen haben. Da kam die Angemeldete schon herein. Ein kaum zwanzigjähriges Mädchen, das auf vollgerundeten Schultern einen reizenden Kopf trug. Das rosige Gesicht war von braunem Kraushaar umrahmt und hatte lustige, braune Augen. „Guten Tag, meine liebe, gnädige Frau!“ rief sie, eilte auf die Dame des Hauses zu und hielt ihr zum Gruß die fein behandschuhte Rechte hin. „Frau v. Miltner stellte ihr den Doktor vor. Ein rasch musternder Blick glitt aus Fräulein Mühlbergers Augen über den Doktor hin—wahrhaftig, nun begriff sie die Käthe Toller, die immer so leidenschaftlich von dem Doktor sprach! Dazu war er eine brillante Partie. Schade, daß er so weiber¬ feindlich war, wie sie schon gehört hatte. Aber desto mehr Reiz bot es eigentlich, ihn zu gewinnen. Und Mila lächelte ihr reizendstes Lächeln, wobei ihre Perlenzähne zur Geltung kamen „Liebe, gnädige Frau, ich komme mit einer Bitte!“ sagte sie und legte einen weichen Ton in ihre Stimme. „Ich überfalle Sie wie eine zudringliche Bettlerin, aber ich tue es gerne, da es einem so schönen Zwecke gilt. Darf ich davon reden, gnädige Frau?“ Sie hatte sich auf den dargebotenen Sitz niedergelassen und blickte nun mit lehenden Augen auf die Frau des Hauses Ueber das feine Gesicht Frau v. Miltners lief ein sonderbares Zucken. Ein rascher Blich aus ihren Augen streifte den Doktor. „Sprechen Sie, liebes Fräulein, sagte sie kurz. Mila rückte ein wenig auf ihrem Sessel, als wäre sie verlegen, dann faltete sie plötzlick beide Hände um eine kleine Rolle, die sie bisher in der Linken getragen. „Ich bitte, bitte! Und seien Sie mir nicht böse ach was rede ich da? Sie haben ja auch ein gutes Herz wie wir anderen alle! Wir haben uns zu einem guten Werk zusammen¬ getan. Ein Bazar ist geplant, das Rein¬ erträgnis für arme Kinder bestimmt. Ob 77 Sie bei Ihrer Trauer an der Festlichkeit mitwirken wollen, wissen wir nicht, aber wenigstens eine Gabe dürfen wir dazu er¬ bitten, nicht wahr? Und ich bitte, nicht zu klein — unsere Schützlinge werden für Sie den Himmelssegen erflehen und—“ sie ver¬ stummte plötzlich — das blasse Frauengesicht da drüben erschien so seltsam. Ein eigen¬ tümlicher Ausdruck lag darauf, ein harter, abweisender Frau v. Miltner hatte sich plötzlich gerade aufgerichtet, ihre Augen schauten mit klarem Blick, der innere Festigkeit verriet, auf das junge, betroffen erscheinende Mädchen¬ gesicht. „Bitte nicht weiter zu sprechen, liebes Fräulein!“ sagte sie rasch. „Ich bedauere, daß Ihre Worte an die unrechte Stelle ge¬ langt sind. Ich — ich gebe nichts.“ Sie hatte nun doch zuletzt wie zögernd gesprochen und dabei war ein Blick zu dem Doktor hinüber gewandert, der da wie seelenruhig an einem Tischchen lehnte. Glitt nicht jetzt ein Schatten des Unmuts über sein Gesicht? Ein unfrohes Empfinden tauchte flüchtig in Frau v. Miltners Gemüt auf. Fräulein Mühlberg war blaß geworden. „Ach, das ist doch nur Scherz, liebe Frau v. Miltner, nicht wahr?“ „Nein, es ist mir ernst damit, ver¬ 77 ehrtes Fräulein: versetzte die junge Frau. Ueber ihr Gesicht huschte deutlich ein Schmerzempfinden. Dr. Purner wußte, daß der Kopf¬ schmerz sie jetzt verstärkt peinige, aber in einer seltsamen, fast haßvollen Empfindung, die soeben durch ihre kalte Abweisung in ihm aufgetaucht war, machte es ihm beinahe Freude, sie gequält zu sehen. Hatte denn diese Frau kein Herz, daß sie die Not anderer nicht lindern wollte? Und er hatte geglaubt, sie habe ein tiefes, warmes Empfin¬ den. Wie sehr hatte er sich doch getäuscht! Wie lieb war dagegen dieses Mädchen, das sich dazu hergab, für andere bitten zu gehen und so warm und weich bat. Sein Blick richtete sich aufleuchtend auf das reizende Gesichtchen. Mila machte eben eine rasche Gebärde, „Aber ich bitte, warum? Gestatten Sie mir diese Frage, gnädige Frau! Ich möchte der Prasidentin gerne Bescheid geben.
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