74 wieder in die Einsamkeit wanderte. Vielleicht weinte er sich in einemstillen Waldeswinkel das Leid von der Seele. Herr Svante war abgesetzt. Das In¬ teresse beider Mädchen galt von jetzt an nur dem unglücklichen August. Da malte sich der Aermste nun des Abends an, nur damit das Publikum nicht die furchtbare Blässe seiner Züge sah. Dort brauchte man nicht zu wissen, wie wehe, wie wund dem armen Bajazzo ums Herz war, wie er sich qualvoll hinschleppte durch dieses Leben. Wer weiß, wo einst seine Wiege gestanden haben mochte! Not und Verzweiflung trieben manchen in diesen Beruf. Wer weiß, wer dieser Bajazzo war Die beiden Backfische hatten Glück Nach kaum halbstündigem Warten trat der schwermütige junge Mann mit der schwarzen Locke, die ihm heute tiefer denn je in die Stirnfiel, auf die Straße. Er hob sekunden¬ lang den Blick und Lore und Agnes sahen mit Schaudern, daß eine ganze Welt von Leid in diesen Sternen lag. Sie faßten sich ein Herz, sie sprachen ihn an. Sie ließen ihn gar nicht zu Worte kommen. Mit tränenüberströmten Augen reichte ihm Lore die Hand und tröstete ihn. Er möge nicht verzweifeln, man wisse, daß unter dem gelb=grünen Kittel ein unglück¬ liches Herz schlüge, aber er solle nicht ver¬ zweifeln. Ob man irgend etwas für ihn tun könne? Der Clown schaute die beiden jungen Mädchen verwundert an. Er wußte auch nichts zu sagen, als jetzt Agnes von ihrem ehr vermögenden Vater berichtete, der vielleicht in der Lage wäre zu helfen. Aber endlich begriff er doch. Und nun kam ein Seufzer aus seinem Herzen, so leidenschaftlich, so tief, daß es den beiden Backfischen schaudernd über den Körper lief. Immer wärmer wurden ihre Worte, immer herzlicher ihre Anerbietungen. Der arme, unglückliche Bajazzo, der Spaßmacher sollte auch ohne den gelb=grünen Kittel einmal lachen können. Sei den das nich möglich? Aber Bajazzo lachte nicht. Mit einem schwermütigen Blick sah er vor sich nieder und schüttelte dann langsam den Kopf. „Wir möchten Ihnen so gerne helfen,“ chluchzte Agnes. In stummer Ergriffenheit streckte er ihnendie Hand hin. „Ich danke Ihnen, meineDamen, aber ich bin Bajazzo und weiter nichts.“ Und plötzlich schrie er so grell heraus: „Lache, Bajazzo, schneide die tollsten Grimassen, kennst kein Gefühl, bist nur ein Spielzeug zum Scherz! Ueberquellendes Mitleid gab den beiden Backfischen herzliche, tröstende Worte ein und immer leidenschaftlicher drückte Bajazzo die Hand der beiden Damen. Das tut wohl, meine Damen. Ich werde es Ihnen nie vergessen, daß Sie.. Einst— ach einst — da saß ich auch mit ihr im lauschigen Weinrestaurant, und nur noch einmal so sitzen und das Leid vergessen, ach “ Die Stimme brach ihm. „Das sind ungeweinte Tränen, flü¬ terte Lore ihrer Freundin zu. „Kommen Sie mit und seien Sie unser Gast,“ bat Agnes. Gänzlich gebrochen schritt er neben ihnen her, um dann bei der Flasche Wein etwas aufzutauen. Das war ja entsetzlich, was die beiden jungen Mädchen hörten. Aus einem alten angesehenen Grafengeschlecht tammte der Aermste, eine Fürstentochter chenkte ihm ihre Huld. Er war mit der hohen Dame geflohen, aber der alte Fürst hatte die Tochter zurückgeholt, hatte den armen Bajazzo eingesperrt, gequält, gepeinigt. Die eigenen Eltern hatten ihn dann ver¬ stoßen. „Ach, und dann das viel Schrecklichere noch. Aber für heute ist es genug, meine Damen. Das Herz bricht mir, wenn ich daran denke. Vielleicht erzähle ich Ihnen das ein anderes Mal, das heißt, wenn Sie dem verachteten Bajazzo weiter Ihre Güte schenken wollen. Sofort wurde für morgen ein neues Stelldichein verabredet und auf dem Heim¬ wege beschlossen Lore und Agnes, dem Aermsten auch weiter zu helfen. Man mußte ihm Freude über Freude machen, die Eltern würden nichts dagegen haben, wenn man denschwermütigen Bajazzo beschenkte. Und Bajazzo bekam seine Geschenke. Bajazzo saß auch oft, recht oft in Wein¬
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