66 Er drang mühsam in die Schlucht ein, durch die er den Aufstieg, auf die Höhe zu nehmen gedachte. Wie er so dahin stieg, bald sprang, bald kletterte, gewahrte er zu seinem Er¬ staunen in dem sonst fast glatt abfallenden Felsen einen klaffenden Spalt, der sich von weit über Manneshöhe bis zur Sohle des Grabens erstreckte und so breit war, daß ein starker Mann leicht durchschlupfen konnte. Er suchte daher entsprechendes Holz, machte sich einige Leichtspäne, entzündete einen derselben, und trat in den Felsenspalt ein Nach etwa 40—50 Schritten kam der Förster schon an das Ende dieses Ganges und befand sich nun, wie es schien in einer hohen, sehr großen Höhle, deren Boden aus feuchtem Lehm bestand und an deren glatten glitzernden Wänden hie und da Sickerwasser herabtropfte. Plötzlich blieb der Alte wie angewurzelt stehen, seine Augen starr auf einen Felsblock von halber Manneshöhe gerichtet, auf dem er eine kleine Gestalt zu erkennen glaubte, wie er vermeinte, die eines Kindes, das merkwürdigerweise, gerade hier einen sehr ge¬ sunden Schlaf tat. Allein, als er leise näher trat und nun besser sehen konnte, hätte der Förster beinahe die Leuchte fallen lassen, und ein neuerlicher, langer und prüfender Blick auf das vermeintliche Kind jagte ihm, dem sonst furchtlosen Manne, einen solchen Schreck ein, daß er sich versucht fühlte eiligst davon und aus der Höhle zu laufen Was der alte Förster sah, war auch seltsam genug und hätte wohl auch anderen Sterblichen das Gruseln gelernt, denn das schlafende Wesen, das etwa die Größe eines sich 1 ½ bis 2jährigen Kindes hatte, erwies als Zwerglein mit langem, weißen Bart und Haar, welch letzteres in üppiger Fülle 1) Das Gründungsjahr der Kirche ist 1706, der 8. August, wo die Stelle der jetzigen Kirche von Passau aus genehmigk wurde. Am 16. April 1708 wurde die Wallfahrtskapelle „in Forma et Figura caepto“ erbaut. 29. Sept. 1709 um ½7 Uhr rüh zelebrierte Abt Anselm von Garften die erste heilige Messe in der Wallfahrtskirche. 1725 war der Bau der Kirche voll¬ endet. Es ist nachweisbar, daß an Stelle, wo die Kirche steht, von Alters her ein gottgeweihter Platz ist, der von Andächtigen aller Stände immer gut besucht wurde. Das (aufgelöste) Benedik¬ tinerstift Garsten ist in unsterblichem Ruhm mit Christkind verbunden. 1787 ward Christkindl — nach Auflösung des Klosters eine eigene Pfarre. 1908 erfolgte das 200 jährigc Garsten — Jubiläum des einzig schönen Wallfahrtsortes „Christkindl“. unter der schwarzen, zipfeligen Mütze her¬ vorquoll und das Antlitz des Zwerges zeigte, daß dasselbe hoch an Jahren sein mußte Das Zweiglein, das wie die Berg¬ knappen bekleidet, nur daß dessen Kleider gar so viel fein und säuberlich war, schlief und seine regelmäßigen, tiefen Atemzüge ließen den Förster erkennen, daß es, ungestört, so¬ bald nicht erwachen werde Das beruhigte ihn und der alte Voll¬ brecht fand schnell seine Kühnheit und Ent¬ chlossenheit wieder. „Das ist kein Mensch wie ich“, dachte der Förster, indem er sich das Zwerglein näher besah, „gewiß nicht, das ist ein Berg¬ männchen, von denen ich gar oft erzählen örte. Hab' aber nicht daran glauben mögen! Gott stehe mir bei Und er bekreuzigte sich fromm. „Hm“, machte er es dann, „hab' mein Lebtag gehört, daß die Bergmännchen den Menschen nicht schlecht gsinnt sind, allerlei wissen, was der Verstand von unsereins nicht begreift und gerne den Menschen¬ kindern helfen in Not und Plag' wie wär's, wenn ich es finge und seine Kennt¬ nisse auf die Probe stellte? Noch einen Augenblick besann sich der Förster, denn eine innere Stimme warnte ihn, mit einem Wesen anzubinden, dessen Kräfte er nicht kannte; die kecke Abenteuer¬ lust überwog aber in ihm, wohl auch hatte er so seine bestimmten Absichten mit dem Bergmännchen, kurz, plötzlich beugte sich der Förster zu dem Schlafenden herab packte ihn mit seiner nervigen, rechten Faust ehr unsanft an, hob ihn zu sich empor und leuchtete ihm mit der linken Hand in's Gesicht. Das kleine Wesen begann auch sogleich zu zappeln und mit seinem dünnen, aber tiefen Stimmchen stieß es erschreckt Laute aus, wobei es sich aus der Faust des Försters oszumachen suchte, was ihm aber nicht gelang. „Fürchte dich nicht, Bergmanderl“ sagte der Förster jetzt, als er die angstvollen Blicke gewahrte, die ihm das kleine Wesen ich zusandte, „ich tu dir nichts zu Leide —hab aber noch nie deines¬ bin kein Wicht gleichen gesehen, mußt also nicht ungehalten
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