Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1922

91 20 84 SBS Dgeu 6 S -Se 8800 188 89.0107 A S O OG6O S o 5 Berühmte Weinjahre. Plauderei von Paul Pasig. (Nachdruck verboten. „Wie wird der Heurige werden?“ Für ein gutes Weinjahr ist vor allem Diese einst von Kundigen und Unkundigen, eine reiche Blüte im Juni und glühende von Berufenen und Unberufenen während Julihitze erforderlich. Denn „was der Juli der Sommermonate oft geäußerte bange nicht kocht, bringt der August nicht gar, Zweifelsfrage dürfte in diesem Jahre eigent¬ agt der Kenner. Aber noch andere Um¬ lich wohl nur gewisse Schichten unserer stände kommen dabei in Betracht. In erster Bevölkerung interessieren. Denn „ein guter Linie die Rebenschädlinge, unter denen die Tropfen“, den sich ehedem auch der wackere einst so gefürchtete Reblaus und der nicht Bürgersmann zu Zeiten gönnen durfte, ist minder gefährliche Sauerwurm, zur Gattung nachgerade im Preise so gestiegen, daß er der Wickler gehörig, zu erwähnen sind. fast nur noch für die „obern Zehntausend“ All= zu große Hitze schadet übrigens erschwinglich ist. Während man vor dem quantitativ, während sie die Qualität des Kriege z. B. eine gute Flasche Niersteiner Weines fördert. So erklärt es sich, daß usw. für 1—1·50 Mark erhielt, muß man gute Weinjahre nicht allzu häufigsind. heutzutage zum mindesten schon 10 Mark Ein solches war 1428. Damals war der und mehr anlegen, um eine Sorte zu edle Tropfen so billig, daß man, um für erhalten, auf die fast des biedern „Wands¬ einen Heller — einen halben Pfennig bekers“ Klageverse passen: im Wirtshause davon zu genießen, zweimal Getränk, sieht aus wie Wein, ** kommen mußte! Ja, das waren Zeiten Ist's aber nicht! Man kann dabei nicht singen Vier Jahre später (1432) gab's gleichfalls Und auch nicht fröhlich sein.“ einen vorzüglichen Wein, und diesen in Immerhin darf nicht vergessen werden, solcher Menge, daß man z. B. in Ulm, daß vom volkswirtschaftlichen Standpunkte um Platz zu dessen Lagerung zu schaffen, aus obige Frage noch immer durchaus die gleichfalls nicht zu verachtenden früheren berechtigt ist. Denn unsere Weinerzeugung Jahrgänge „zum Anmachen des Mörtels fällt nicht nur für den Innenbedarf, sondern zum Gebäu des Münsters“ verwenden auch für den Außenhandel bedeutend in mußte! Klingt das nicht wie ein Märchen? die Wagschale. Mit tiefstem Schmerze Das prächtige gotische Baudenkmal mag freilich wird jeder gute Deutsche mit der wohl auf solch „Bindemittel“ stolz ein überaus betrübenden Tatsache rechnen müs¬ Auch das Jahr 1472 wird wegen eines sen, daß die edlen „Weineldorados“, dort edlen Weines gelobt. Damals gab es bereits am Rhein, an der Mosel und der Saar Ende Juni reife Trauben, und der Wein u. a., vorläufig und vielleicht auf lange war so stark, daß er mit Wasser vermischt Zeiten kaum noch erreichbar sein werden. werden mußte, um trinkbar zu sein als Ist doch infolge der unglückseligen Neu¬ Erquickungsmittel. Im 16. Jahrhundert gestaltung unserer politischen Zustände Ru¬ ragt als gutes Weinjahr 1540 hervor. dolfs Gottschalls feierlicher Protest Der Wein erhielt wegen seiner Kraft und aus dem Juli 1870 gegen die Rheingelüste Würze den Ehrennamen „Herzenssalbe. Frankreichs diesmal leider ungehört verhallt: Da wird der alternde Dr. Luther (] 1546) „Der hier wächst, der deutsche Wein, wohl manches Gläslein zur Stärkung seiner Wird nie in eurer Kelter sein, angegriffenen Gesundheit zu sich genommen Er trägt nicht fremden Zwang ...“

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