86 „Schwurst du auf dem Gipfel des Kuijo nicht für die Freiheit des Landes alles zu tun, Gustav?“ „Ja, ich habe es geschworen.“ Sie hing an seinem Halse. „Was du schwurst, Gustav, das habe auch ich geschworen. Du bist ein Stück meiner selbst und wenn du in den Wellen des Ulea versinkst, was soll ich dann auf der Welt? „Maria,“ stöhnte er auf. Gleich bin ich fertig,“ sagte sie fast fröhlich, verschwand in der Kammer, schlang ein Tuch um die Schulter und nahm den schlafenden Säugling aus der Wiege. Vor dem Bilde des Heilands, das an der Wand hing, kniete sie rasch nieder. „Unser Land steht unter deinem Schutz, du heiliger Gott, der du dich geopfert hast für eine ganze Welt. Wir können es nur für unseren armen Ort. Sei unserer armen Seele gnädig. Gustav sah sie kommen, ihr Gesicht war ruhig und friedlich. Da schrie er auf und warf sich zu Boden. „Ich kann's nicht, Maria!“ Den Säugling an der Brust, hob sie ihn empor. „Laß uns gehen, Gustav. Ich will deiner wert sein.“ Aufrecht, mit frohem, stolzem Blick chritt sie neben ihren Gatten her, dessen Gang taumelnd war. Sie stützte ihn fast und strich ihm von Zeit zu Zeit zärtlich über die Hand. Der Offizier folgte ihnen. „Nun, Schiffer, jetzt werden wir Uleaborg wohl erreichen, nicht wahr?“ Er gab keine Antwort. Er bestieg als letzter das Boot und sank auf der vor¬ dersten Bank zusammen. Als sich das Boot dann in Bewegung setzte, da war es ihm, als ständen am Uleasee jene Männer, mit denen er einst in mitternächtiger Stunde geschworen hatte, für die Freiheit Finnlands alles zu tun. „Hör', Schiffer,“ wandte sich der Oberst zu ihm, „in deinen Augen sehe ich einen Schein, der mir nicht gefällt. Ihr seid stark und kräftig, ihr vermögt euch vielleicht auch aus den reißenden Fluten zu retten. Schau her, hier binde ich dein Weib. Sollte aus Versehen dein Kahn umschlagen, Schiffer, so kann sie sich durch Schwimmen nicht retten. Und nun fahrelos.“ Maria ließ es willenlos geschehen, daß man ihre Füße zusammenband. Nur als ihr auch die Stricke um die Arme gelegt werden sollten, bat sie mit lächelndem Gesicht, man möge es doch so einrichten daß das Kind kein Unbehagen hätte. Der Leutnant lachte roh auf. Man band ihr die Arme, in denen sie das Kind schützend hielt, kreuzweise auf der Brust zusammen. Ueber den blauen, leuchtenden Uleasee glitt das Fahrzeug. Nach vierstündiger Fahrt war Waala erreicht und kaum eine halbe Stunde später verengte sich das Flußbett zwischen den schroff aufragenden Felsen immer mehr. Der Strom begann zu rollen und zu stampfen und sein Rauschen, sein Zischen schlug den Fahrenden entgegen. An dem dunklen Urgestein zischte der Gischt hoch auf. Jetzt kam die erste Strom¬ chnelle in Sicht. Mit rasender Geschwin¬ digkeit glitt das Boot hinüber, stürzte sich in die Tiefe und hob sich wieder hüpfend empor. Die Wassermenge zum weißen Schaum gepeitscht, stürzte sich neben dem Fahrzeug einher in immer tollerem Wirbel. Gustav wandte sich um. Sein Blick traf das Auge seines Weibes, das den Säugling fest an die Brust drückte. „Schiffer gib acht,“ mahnte der Oberst. Ihm war so bang zu Mute. Wenn das Fahrzeug hier in dieser furchtbaren Ein¬ samkeit umschlug, gab es keine Rettung Mit weit aufgerissenen Augen verfolgte er jede Bewegung des Führers, schauderte zusammen, wenn Gustav das Fahrzeug bald nach rechts, bald nach links lenkte und seine Zähne klapperten, wenn man wieder in jähem Wirbel hinabgerissen wurde in eine der von den Stromschnellen gebil¬ deten Tiefen. „Sind wir bald am Ort?“ „Nein Herr, der gefährlichste Augen¬ blick kommt gleich. „So gib acht, Schiffer!“ Da wandte er sich ganz um, warf das eine der langen Ruder hinaus in den reißenden Strom und stellte sich vor den Oberst hin. „Was ich geschworen habe,
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