Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1922

84 kunstvoll gebautes Boot mit kundiger Hand durch die Stromschnellen des Ulea von Waala hinauf bis Uleaborg. Es gab aber keinen Touristen, der nicht in Kajana be¬ gehrte, jene Fahrt, die einen vollen Tag in Anspruch nahm, durch die Stromschnellen zu machen und immer wies man die Fremden zuerst an Gustav Schybergson, weil er der Kundigste war. Und doch zitterten die Herzen der Fremden, wenn ich das kleine Fahrzeug mit seinem ernsten ruhigen Führer in den wirbelnden Strom stürzte, wenn es zwischen den Felsen, die sich rechts und links erhoben, auf dem rauschenden Gischt dahinglitt, die rasch aufeinander folgenden Stromschnellen hüp¬ fend übersprang, um dann wieder ruhig dahinzuziehen. Mitunter schien es, als verschlängen die schäumenden Wellen das kleine Fahrzeug, aber es tanzte immer wieder empor und gelangte wohlbehalten an seinem Bestimmungsort. In der ersten Zeit ihrer Ehe hatte Maria oft um den Gatten gezittert. Sie hatte die Fahrt auf den Stromschnellen des Ulea manches liebe Mal mitgemacht. Später war sie ruhiger geworden. Sie glaubte zwar nicht an die beiden mächtigen Schutzgewalten, denen Gustav seine Seele empfahl, an den Gott da oben in blauen Höhen und an den mächtigen Ryco, der unten auf dem Meeresgrunde wohnte und die Schiffe seiner Schützlinge auf seinen Händen durch die Fluten trug. Sie glaubte nur an den Gott im Himmel und ihm empfahl sie ihren Gatten stets aufs neue. Aber in den letzten Tagen hatte Maria doch gezittert. Nicht für sich, nur für den Gatten und den Säugling, der an ihrer Brust lag. Zu schrecklich war die Kunde, die von Süden her bis nach Kajana drang. Ihr Gatte war hinabgezogen nach Kuopio zu den Freunden, um dort Rat zu halten, was man beginnen sollte, wenn die schrecklichen Horden weiter gen Norden kamen. Nun kehrte er ihr zurück. Sie hielt ihn in ihren Armen, sah in sein treues, blaues Auge und schmiegte sich an ihn. „Du wirst mich niemals verlassen, Gustav, mich und das Kind.“ Er küßte sie auf den blonden Scheitel. „Ich werde dich zu schützen wissen, Maria, vor allem Unheil, das uns drohen könnte. Vom Süden Finnlands her bis hinauf zum höchsten Norden des Landes klang der Schrei nach Hilfe. Noch wütete die rote Garde erst südlich, aber einzelne Banditenhorden kamen schon hinaufgezogen nahmen den Weg der üblichen Touristen¬ straße, auf der auch Kajana lag. Und jeder neue Tag brachte neue Sorgen in all die kleinen Fischerhäuser, die den Uleasee um¬ säumten Von Kuopio traf die gräßliche Kunde ein, man hatte dort hinterrücks eine deutsche Familie ermordet. Da schaffte Gustav alle Vorräte, die er auftreiben konnte, in sein Haus und dann schob er den schweren Eisenriegel vor die schmale Holztür. Am nächsten Morgen war es in Kajana bekannt, eine Abteilung der räu¬ berischen Bande mit ihrem Führer, einem Oberst, sei im Ort. Noch floß kein Blut, noch nahmen die gierigen Hände nur das, was sie sich durch Gewalt erzwangen, aber schon tuschelte man es sich zu, daß man wegen der Deutschen, die hier an den Ufern des Ulea wohnten, die Fahrt nach Kajana unternommen habe. Andere wieder agten, man sei nur auf dem Durchmarsch nach Uleaborg, um dort ein schreckliches Gericht zu halten. So schien es auch. Das Heer rüstete sich zum Abmarsch, ein er¬ leichtertes Aufatmen ging durch den kleinen Ort. Am anderen Morgen begehrte der Oberst den Vorsteher des Ortes Jonsten zu sprechen. Er brauchte einen Fährmann, einen sicheren, zuverlässigen der ihn über den Uleasee durch die Stromschnellen nach Muhos geleite. Der Greis sollte ihm einen zuverlässigen Mann nennen. Er wies ihn an Schybergson. Der Oberst und sein Begleiter, ein junger Offizier, auf dessen Antlitz alle Laster eingegraben waren, be¬ chieden Schybergson in das Amtshaus. Er sollte fahren. Der Fährmann machte Ausflüchte. Da stieß ihn der Oberst mit der Faust vor die Brust.

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