76 22 S 2 Der letzte Nagelschmied. *) Von Josef Stohl, Steyr. Wer vor Jahren die alte Eisenstraße es zuerst noch aufnehmen wollen mit der gegen Losenstein zu wanderte, der sah zu Neuzeit, um endlich in ohnmächtigem Groll beiden Seiten der Straße schmucke, kleine Hämmer und Hände sinken zu lassen und Häuschen stehen mit blanken, blumen¬ zur Holzaxt oder zum Pflug zu greifen. geschmückten Fenstern und netten, gepflegten Da war auch Peter Spatt, einst der Vorgärtchen. Aus dem letzten, breiten, lustigste Nagelschmied im Tal, wortkarg großen, meist offenen Fenster aber, das geworden. Hoch oben, im entlegensten edes Haus hatte, da tönte von früh bis Winkel des Stiedelbaches stand sein Heim. spät ein Klingen um die Wette mit der Hier hauste er mit seinem einzigen Buben, brausenden Enns. Das war die Heimat ein Weib war ihm frübzeitig gestorben der einst weit und breit bekannten Enns¬ und wie ein solcher konnte er auch auf taler Nagelschmiede. Auch in den Seiten¬ eine stattliche Ahnenreihe von lauter wacke¬ tälern hausten sie. ren, tüchtigen Leuten zurückblicken, denn Sie waren ein ungemein fleißiges, Peter entstammte dem ältesten Nagelschmied¬ genügsames Völklein, das seine gute, sau¬ geschlecht im Tale. bere Ware schon seit Jahrhunderten an Ja, wie ein Fürst hauste er. Sein die großen Eisenmänner in Steyr lieferte, Palast war das freundliche Hüttchen und die sie dann weiter in alle Welt versandten. ein Reich das kleine Tal mit dem plau¬ Konnten sich doch die Nagelschmiede rühmen schenden Bach und die weiten Wälder daß manch eines der stolzen Kauffahrtei¬ ringsum, so maiengrün im Frühling, so schiffe der Rotterdamer und Hamburger flammenrot im Herbst und so weiß und Kaufherren ihre Nägel im Leibe haben. still und glitzernd in ihrer Winterherrlichkeit. Früh mit dem ersten Hahnenschrei Von früh bis abends hörte man den Peter begann schon das heilige, vielstimmige Lied hämmern und singen, als gäbe es kein der Arbeit; da pfauchte die Esse und größer Erdenglück, als Nagelschmied zu sein. tauchte die kleine Werkstatt in sengende Glut, da dröhnten die größeren Hämmer, Aber jetzt! Lang, lang hatte Peter klirrten und schwirrten die kleineren, das der neuen Zeit getrotzt, gehämmert und rotglühende Eisen zischte und mit lustigem geschmiedet und seine Ware ins Tal gebracht. Klang sprangen die fertigen Nägel zu Das trug ihm bei den Leuten den Namen Boden. Und dazu sang wohl ein munterer „der letzte Nagelschmied“ ein. Als aber Nagelschmied eine alte Weise seiner Heimat Angebot und Nachfrage ganz aufhörten zur Arbeit. und ihm seine Nägel elend schlecht bezahlt Aber das ist nun vorbei, Eisenklang wurden, da mußte auch Peter Spatt sich und Liedersang verstummte, denn es kam geben und anderen Verdienst suchen. Es die „neue Zeit“ und zauberte Fabrik um zwang ihm, seine Schmiede zu schließen. Fabrik aus dem Boden. Und das war der Mit traurigem, schweren Herzen schloß Tod dieses schönen, einst so blühenden Peter eines Tages die schwarzen Balken Handwerkes. Da hatte wohl manch einer seiner Schmiede zu. *) Aus Roseggers „Heimgarten“, 2. Heft, 43. Jahrgang, entnommen.
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