Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1922

Der Glasrahmen des Bildes war schon zerschlagen und die frommen Weihgeschenke, all die in tiefer Dankbarkeit für Gebets¬ erfüllungen der Gottesmutter gewidmeten Herzchen, Beine, Arme, Kränzlein, waren chon geraubt, der Altar auch sonst ver¬ wüstet und die Säulen zu beiden Seiten des Bildes abgeschlagen, kein Mensch befand sich mehr beim Altar, der grimme Rudel tobte sich in den Teilen der Kirche aus, wo noch etwas zu holen. Wie der Madlseder in die Kirche trat wollte er aneifern, drängen zu raschem Plündern, er wollte bald wieder nach Stadt Steyr zurück, dort gabs für ihn heute noch viel zu tun, denn morgen ging es nach Garsten und das Schloß in Stadt Steyr barg auch noch manches, was ein für Gleich¬ heit schwärmendes Herz erfreuen konnte Und der Blick des Madlseder glitt mit einer gewissen Befriedigung über das bereits getane Werk auf dem Marienaltar. Da trat draußen die Julisonne aus einer Wolke hervor und aus lichten Himmelshöhen fluteten die goldenen Strahlen der Sonne in die Kirche, alles verschönernd, verklärend, elbst die Plünderer erschienen im Sonnen¬ schein wie entschuldigt im frevelnden Tun Wie der Madlseder seinen prüfenden schadenfrohen Blick über den Marienaltar sandte, warf die Sonne gerade auch über das Marienbild ihr glitzerndes, flitzerndes Strahlenbündel und ihre Lichtstrahlen irrten über die Antlitze Marias und des Jesu¬ kindes hin und her, auf und ab, schienen neue Linien über die Gesichter zu malen, deren Ausdruck zu stärken, lebhafter zu machen und die Augen der Gottesmutter schienen sich im Glanze der huschenden Lichtstrahlen zu bewegen und das ganze Bild sah aus, als hätte es Leben er¬ halten. Der Madlseder stand wie gebannt und starrte auf das Bild. Er war kein Gemütsmensch und Religion hatte er keine mehr, und doch, war es ja, als sah ihn die heilige Maria mit stummen Vorwurfe an und ihr Blick senkte sich tief in das verstockte Herz hinein, als wollte er sagen: „Madlseder, was läßt du hier geschehen Du läßt den Trost, die Stütze, die Hilfe 67 für tausende deiner Landsleute verkümmern, vernichten — tust du recht daran?“ Gar seltsam durchwogte es den mäch¬ tigen Bauernführer und einige Augenblicke schien er milder gestimmt zu werden im Herzen, milder im Sinn, seiner Kindheit Tage in denen die Großmutter ihm daheim von Liebe zum Nächsten gesprochen, ihm betend die Händchen zum Marienbild in der traulichen Stube im Vaterhaus hin¬ gehalten, mochten ihm in Erinnerung bringen, daß sein Tun und Lassen vielleicht doch nicht ganz der allversöhnenden, die Gegensätze ausgleichenden Nächstenliebe entspräche, daß er manch Unheil, viel Unglück von seinen Mitmenschen abwenden könne, aber dieses menschenwürdigere Gefühl hielt nicht an und schwand mit dem über dem Altare schwächer werdenden Lichte der Sonnne, aber, einige Sonnenstrahlen schienen doch in der Brust des gewaltigen Bauernführers; eine, wenn auch kleine, weiche Regung wach zu halten — und „heim!“ schrie er in die Kirche hinein daß es in verdichteten Wellen sich auf¬ schwingend, donnernd von den Wänden des Gotteshauses wiederhallte und er ent¬ eilte aus der Kirche und sein „nach Hause!“ gellte, sich rasch verbreitend, durch die verwüsteten Räume des Klosters. Und die plündernde, zerstörende Menge folgte dem befehlenden Rufe des Führers wohl deshalb, da es nichts mehr im Kloster zu holen, nichts mehr zu verwüsten gab. Draußen beim Teich sammelte sich die Menge und mit Sack und Pack, vom Weine und Biere gut gelaunt, kecke Weisen gröhlend, lachend und scherzend zog die Menge heim nach voran der Madlseder Stadt Steyr — merkwürdig stumm und mit allen Zeichen des inneren Unbehagens, einer innerlichen Unzufriedenheit mit sich selber, die er nicht zu deuten wußte. Im Kloster aber, wo die Mönche von der eilig und nur auf ihre Beute achtenden Menge unberührt geblieben waren, lösten der Förster und seine wackeren Helfer die Fesseln der Paters und Brüder und eilten, das langsam züngelnde Feuer in den Zimmern droben zu ersticken, was auch gelang, der Maierhof des Klosters Gleink

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