Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1922

62 zu ihrem geheimen Ratsdirektor, soffen, raubten, mordeten und trieben in der Stadt Steyr und Umgebung die rohesten, kunterbuntesten und unsinnigsten Dinge. Da hatte es der Florian in Stadt Steyr nicht mehr ausgehalten. Bei seinen Meister war nun doch die Arbeit eingestellt und er allein genügte auch nicht zu dessen Schutz. Dabei bangte er um das Schicksal der Seinen, ganz besonders um die Lene denn er hatte mit tiefster Empörung gesehen, wie die Bauern einen kranken kroatischen Reiter in die Enns warfen, aus dem Kapuzinerkloster die Mönche ver¬ jagt und die Katholiken in die Flucht trieben, die auf einen Berge zwischen Weyer und Gaflenz dann Zuflucht fanden und was die Bauern alles am Lande draußen trieben da hatte er nicht Lust und auch nicht das Gemüt dazu, ohnmächtig zusehen zu müssen, wie Religionsstreit und rohe Raub¬ lust die alte Eisenstadt herunterbrachten und Elend, Jammer und Verzweiflung friedlicher Menschen Hilfe flehend, zum Himmel schrieen und so eilte er heim fand die Gleinkergegend wieder frei von den beutesüchtigen Scharen, suchte die Lene und kam eben recht, um sie aus den Händen raubgieriger, lüsterner Bauern zu befreien. Das ging dem Florian jetzt, wie er taschetragend neben dem gefangenen Bauers¬ mann den Berg hinaufstieg, so in den Kopf herum, und er sah deutlich die Gefahren, die ihnen drohten. Ob die Lene sich auch dessen bewußt war? „Lene,“ sagte er, den Kopf nach ihr zurückwendend, so ein Weiterschreiten. „Was denn?“ fragte die ihn neu¬ gierig ansehend. „Weißt wie's zugeht in der Stadt, Lene „Wohl, war ja heut drinnen und hab meine Augen und meine Ohren auch nicht 77 umsonst, Florian Der nickte. Wieder schritten sie ein Weilchen aufwärts. Dann wandte er wieder den Kopf nach dem Mädchen. „Lene, du kannst doch die Tasche allein hintragen zum Bründl?“ „Schon — warum fragst Florian? „Hm, weil der Kerl hier doch unser Versteck nicht wissen darf, Lene, ich will ihn nach Gleink bringen, dieweil bring die Sachen sicher unter und wart dort auf mich, ich bring deinen Vater und meine Leut dann mit hin — willst? „Ja — ist richtig wie du meinst, geh also — aber Vorsicht, Florian, bist ja allein gegen so viele — bring auch was zu essen mit, wissen ja nicht, wie lang wir dort bleiben müssen Florian nickte, stellte die Tasche nieder und sagte herrisch zu dem Bauer: „Laß los, wir kehren nach Gleink¬ — zurück laß dir's aber nicht einfallen, mir zu entweichen, sonst Er entnahm von der Lene die Helle¬ barde, hielt sie dem Bauer unter die Nase und wies dann auf seinen Dolch, den er vorsichtshalber in Stadt Steyr in seinen Gurt gesteckt hatte. „Werd's bleiben lassen“, erwiederte der Bauer trotzig, „heim, gegen Wolfing, käme ich doch nit und so ist's eins wo und mit wem ich bin. Florian nickte, was wohl so viel heißen sollte: „Sehr vernünftige Ansicht von dir,“ wandte sich zur Lene und bot ihr die Hand. „Gott mit dir, Lene“, sagt er herzlich. „Und mit dir und uns allen ewiederte die Lene, schlug wacker in seine Rechte ein und sie sahen sich tief in die Augen. Es war wohl die schwere Zeit, welche die Leutchen erkennen ließen, was sie für einander galten und sich waren, denn der Florian neigte sich zu der tief errötenden Lene, welche die frischen Lippen ihm entgegen¬ spitzte und ein herzhafter Kuß machte das Laub in der heißen Julisonne erzittern — der Kuß mußte wohl Liebeserklärung und Verlobung in einem sein! Die Hände der Beiden lösten sich, sie sahen sich wortlos, verständnisvoll rasch noch in die glitzernden Augen, nickten sich zu, dann trieb der Florian seinen Gefangenen gegen Gleink. Lene aber wartete bis Beide ihren Blicken entschwunden waren, dann schulterte sie den Kirchenleuchter, nahm die Tasche auf und stieg den Weg bergabwärts.

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