Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1922

60 „Teufel, die Jungfrau ist aber sauber“ schrie der jüngere Bauer, „wär wohl zum küssen Und er suchte sie zu umfassen, da er aber nicht allzusicher in den grobgenagelten Schuhen stand, mußte er die, wie die Lene gleich merkte, sehr rostige Hellebarde zur Stütze nehmen und dieselbe in die Erde stemmen. „Laß“, sagte der ältere Bauer und legte seine Hand schwer auf einem Arm des Kameraden, „werden uns jeder einen Kuß von der Jungfrau nehmen, auch mehr aber erst will ich wissen, was da in der Tasche ist — Teufel, ist die schwer!“ Er hatte versucht die Tasche zu heben, Lene gab ihm einen Stoß, so, daß er neben die Tasche fiel. „Kreuzteufel,“ schrie der junge Bauer, „ist die Jungfer frech, wart, dir will ich helfen dagegen — Er riß eine dicke Schnur, die er um die Mitte seines Leibes gewunden hatte eilig los. „Pratzen her, „schrie er die Lene an „will dir ein schönes Armband geben Aber die Lene hielt die kleinen, braunen Fäuste nicht gutwillig hin und so balgten sich die drei — der ältere Bauer hatte sich mittlerweile vom Boden aufgerafft und beteiligte sich an der Fesselung der Lene unter Fluchen und Gebrüll der Bauern und lauten Protesten des Mädchens ein Weilchen herum. Die Sache würde aber für die Lene natürlich doch, trotz ihr die Trunkenheit der beiden Bauern zu Hilfe kam, einen schlechten Ausgang genommen haben, wenn ihr keine Hilfe gekommen wäre und die kam raschest in Gestalt eines jungen Mannes, der, beim Klostertor herein¬ kommend, die bedrängte Lene sah, in die Kirche eilte und gleich darauf mit einen metallenem Altarleuchter wieder daraus herauskam und von den Bauern, die aber der Lene den Strick denn doch um die Händchen gewunden hatten, unbemerkt, auf die Gruppe zustürzte, den Leuchter hochaufschwang und dann auf den Federhut bewallten Schädel des jüngeren Bauers niedersaußen ließ, daß es dumpf knirschte und der Mann lautlos neben der Lene niedersank. Der ältere Bauer mußte offenbar durch diesen plötzlichen Ueberfall etwas ernüchtert worden sein, denn er ließ von der Lene ab und hob auch schon die Hellebarde zum Hieb gegen den jungen Mann, der aber war schneller und schlug ihm mit dem Leuchter die Hellebarde aus der Hand, daß der Mann vor rasenden Schmerz auf¬ heulte, die rasch entschlossene Lene aber benützte die augenblickliche Wehrlosigkeit ihres Peinigers, wand sich den Strick, der ohnehin noch nicht geknotet war, von ihren Händen, warf ihn um den Hals des Bauers und zog zu. „Sehr gut, lachte der junge Mann hellauf, „bist halt meine Lene!“ Hob die Tasche auf und da er sie schwer fand, schrie er den Bauer an: „Hilf tragen, du voll¬ gesoffenes Vieh, sonst mach ich dich auch kalt! Der Bauer griff gehorsam nach der Tasche, welche der junge Mann nun auch mit ihm aufhob. „Fort, Lene, sagte er zu dieser, „wir gehen in den Wald hinauf, zum Bründl, die Bauern können gleich hier sein — die Tasche hast wohl vom Kloster, was? „Ja, doch nur in Sicherheit damit, beeilte sich die Lene zu sagen und die beiden Taschenträger voran, der Bauer von Lene am Strick gehalten, trotteten die drei aus dem Kloster in den nahen Wald hinein, wobei die Lene nicht vergessen hatte, die Hellebarde des Bauers und den Altar¬ leucher über ihre runde Schulter gelegt, vorsorglich mitzunehmen, wäbrend der junge Bauer tot, oder doch besinnunglos, im Klosterhofe liegen geblieben war. II. Das junge Mädel, die blitzsaubere, so entschlossene Lene, welche den immer nüchterwerdenden „aufständischen“. Bauer jetzt so geschickt an der Leine gängelte und ihr wackerer Erretter aus was Gott was für Not und Uebel in der Gefangenschaft der Aufständischen, waren „Nachbarkinder“: trotzdem die Häuser ihrer Eltern ein erkleck¬

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