Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

Achsel wiegend und dazu einen Ernst im dunkelroten Angesicht, als drohe er jetzt schon, vor der Amtshandlung, die verur¬ teilte Nichtzahlerin in kleine Stückchen zu zerteilen, eine Amtsmiene, die übrigens zu den Amtspersonen, wenn sie sich im Amte befinden, auch seit jeher dazu gehört. Frau Afra war aber keine, die leicht zu erschrecken war. Sie verstand beim ersten Anblick der richterlichen Dreieinigkeit daß deren amtlicher Spaziergang ihr, oder doch ihrem Eigentume gelte und wappnete ich mit einer Ruhe, die ihr sonst gewöhnlich fremd war und schnell hatte sie ihren Plan zur Abwehr des Angriffes auf ihren Geld¬ ack fertig, sie sollten nur herankommen und ruhig blieb sie, die runden Arme verschränkt unter der breiten Brust, in nachlässiger Haltung am Türpfosten lehnen und nur die zusammengekniffenen Augen und der stechende, lauernde Büick, verrieten ihre neugierige Erwartung der Dinge, die da kommen sollten Die „Kommission“ pflanzte sich gar feierlich vor der Frau Afra auf, voran der Gerichtsschreiber und der Vollzieher, zum Schutze oder zur Drohung hinter den beiden der rote Hans, die Hellebarde sehr geräuschvoll auf die Erde stellend. „Seit ihr die Inhaberin dieses Zwin¬ gers, die Frau Afra?“ fragte der Gerichts¬ schreiber seine Rolle entfaltend. „Wol, erwiederte Frau Afea mit höhnischem Blick und Lächeln auf die Kommission, ohne jedoch ihre Haltung am Türpfosten zu verändern, was der dicke Vollzieher ganz entschieden ehrfurchtsverletzend fand. „Ihr kennt mich doch lange genug, Herr Gerichtsschreiber“ „Ich habe niemanden zu kennen, sondern Amts zu handeln“, knurrte der Gerichtsschreiber, „also ihr seids, gut Gestern hab ich euch den Bescheid des hohen Stadtgerichtes gebracht, das Erbteil Eurer Tochter Agathe, nach deren Vater selig, bei Gericht zu erlegen, so ihr sonst gezwungen werdet, binnen 24 Stunden dies zu tun. Ihr habt nicht gefolgt, so er wies — hat der Herr Vollzieher hier, mit stolzer Handbewegung auf den neben ihm stehenden, gefürchteten Mann, der sich so weit dies seine Rundlichkeit erlaubte, in 73 die Höhe reckte — den Auftrag, so be¬ agtes Erbteil eurer Tochter in Beschlag zu nehmen und dem Gerichte abzuliefern, — er deutete mit dem Zeige¬ wozu wir finger auf seine Brust und dann über die Achsel hinüber nach dem roten Hans „den gehörigen Druck auszuüben bereit sind. Die wohl einstudierte und mit dem entsprechenden Ernst vorgetragene Rede schien auch auf Frau Afra die entsprechende Wirkung auszuüben, sie richtete sich straff auf und indem sich das höhnische Lächeln auf ihrem Gesichte verdichtete, sagte sie ruhig: „Ich bin bereit das Erbteil meiner Tochter auszufolgen, auch ohne jeden Zwang, bitte ihr Herren nur einzutreten und das Erbteil in Empfang zu nehmen! Sie machte eine einladende Hand¬ bewegung zum Eintritte in die Bude und knixte dazu, ob aus Ehrfurcht oder aus Hohn, waren die Herren zu entscheiden nicht im Stande, denn Frau Afra war schon vorausgegangen in die Hütte hinein und sie mußten ihr daher folgen. In dem Raume, in den sie traten, standen an der einen langen Wand die vergitterten Käfige mit den Tieren des „Zwingers“ zur Schau: da heulten zwei gewaltige Wölfe beim Anblicke ihrer Herrin auf, daneben brummte eine starke, breitpratzige Bärin und knurrten deren zwei Jungen sich an die Alte chmiegend, eine Wildkatze funkelte von einem Aste aus ihrem Verschlage herab die Kommission an und neben ihr, in einem mit Drahtgeflecht verschlossenem Raume züngelten einige sehr große Schlangen ihre gespaltenen Zungen heraus, während an¬ chließend zwei Füchse sich scheu in die Ecke ihres Käfigs drückten. Die ganze Tier¬ sammlung verhielt sich aber ruhig, vielleicht weil sie von ihrer Herrin eine Näscherei erwarteten, oder auch Prügel fürchteten welche sie ihnen, wenn sie unfolgsam, zeit¬ weise zu verabfolgen, nicht versäumte. Die Kommission blieb staunend ob des ungewohnten Anblickes stehen, Frau Afra aber eilte zu den Käfigen hin, riß deren Türen auf und einladend auf die Tiere weisend, rief sie laut und fest:

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