Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

72 Hammerschmiedmeister draußen ist, sandte mich zur Aushilfe während der Marktzeit herein, war auch nie länger als auf Stunden herinnen in Steyr“ „Ei, ja, so“, entgegnete der junge Ratsyerr jetzt auch etwas verwirrt ge¬ worden durch den scheuen und doch neu¬ gierigen Blick des jungen Mädchens, mit dem sie ihn nicht ohne Wohlwollen ansah, „ich hoffe jedoch, daß ich öfters das Glück haben werde, euch zu sehen, so ihr auf so kurze Zeit in Steyr weilt und von wegen der Sache mit dem falschen Wiener¬ Gulden, die will ich selber zur Anzeige bringen und ordnen, sollt dabei gewiß keine Scherereien haben — behaltet mich im guten Gedenken, Gott behüte euch“! Er drückte dem Mädchen nochmals gar fest das Händchen, machte eine so ehrerbietige Verbeugung, wie er es vor keiner hohen Dame tun konnte und sah ihr dabei etwas scheu in die schönen Augen die ihn sogar nicht unfreundlich ansahen. Sie zog die Hand gar züchtiglich nach leisen Gegendruck zurück, knixte gar zierlich und wispelte ihm ein aufrichtiges „Gott behüte Euch, Junker!“ nach, als er zur Ladentüre auf die Gasse hinaustrat, wo sich die Neugierigen schon entfernt haben, als die streitbare Eusebia vorhin aus dem Geschäfte getreten war. IV. Drüber dem heutigen Pfarrplatz, so etwa am Anfange der Marie Valeriestraße, wo damals der Wald begann, stand diesmal die letzte der Marktbuden, der aus Brettern aber ziemlich fest errichtete Zwinger der Frau Afra. Der sah außen recht einladend aus mit seinen grell gemalten Tierbildern und links vom Eingange wiegte sich, krächzend vor Vergnügen oder auch vor Hunger ein großer, rosaroter Papagei in einem Rohr¬ ringe und rechts saß auf einer Stange ein Affchen mit blauem Gesichte und fletschte die weißen Zähne, wahrscheinlich aus dem¬ selben Grunde wie sein Freund der Papagei. In der Tür, zwischen den sonderbaren Eingangswächtern, stand die Inhaberin des „Zwingers“, Frau Afra, in schlichter, bürgerlicher Kleidung, nur die großen silbernen Ohrgehänge venetianischer Arbeit, eine ebensolche Schließe zum Kleid am Halse und ein glitzerndes Diadem, jeden¬ falls aus unechten Steinen, sowie an jedem Handgelenke ein breites Armband verrieten, daß sie nicht dem bürgerlichen oder bäuerlichen Stande angehöre. Sie war nicht in bester Laune, denn gestern, noch am Nachmittag des dritten Markttages, war der städtische Diener vom Gerichte dagewesen und hatte ihr den Bescheid des Stadtrichters überbracht, daß ie binnen 24 Stunden ihrer Tochter, der „ehrsamen Frau Agathe, Bogenichießhallen¬ besitzersgattin, deren Erbteil nach ihrem verstorbenen Gatten, auch Vaters, aus¬ zufolgen habe, wogegen bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist, die zwangsweise Ein¬ treibung so besagten Erbteils von Gerichts¬ wegen erfolgen werde“. Und nun waren seit dem Auftrage die 24 Stunden eben verflossen, Frau Afra hatte kein Geld, das Erbteil das sich ihre Tochter erhoffte, abzuliefern, sich über¬ haupt nicht um die Sache gekümmert, vielleicht weil sie dachte, daß das Gerich t jetzt in der Marktzeit mit anderen Dingen beschäftigt wäre, als mit dem Erbteilein¬ heben für Frau Agathe und hernach die unangenehme Zahlung vergessen sein würde, daß sie von Steyr weg nicht mit ihrer Tochter in einen Ort zum Jahrmarkte zog, würde dem Vergessen der Angelegenheit chon nachhelfen. Aber mit dem „Vergessen“ war es nichts, der Stadtrichter, Herr Erasmus, war ein sehr genauer Herr und hielt etwas darauf, daß seine Urteile und Aufträge pünktlichst und genau ausgeführt wurden, so auch bei Frau Afra und so sah die in Zahlungsaufträgen etwas Schwerhörige jetzt von der Pfarrkirche her eine kleine Gruppe von Männern gegen ihren Zwinger herankommen, voran der langbeinige Gerichtsschreiber mit einer kleinen Papier¬ rolle in der Hand, neben ihm der dicke Vollzieher, so einer, der heute Exekutor genannt würde und hinter den beiden der dritte Teil der hohen obrigkeitlichen Dreieinigkeit, der rote Hans von der Stadt¬ wache, die Hellebarde über der rechten

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