Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

untersetzt, nicht hübsch, dafür gesund und sehr rüstig, etwas jahrmarktsgrell angezogen, deren stark gerötete, dralle Arme ihren Hauptberuf als Köchin recht deutlich be¬ wiesen. Ihre auch sonst recht angriffs¬ lustigen Gesichtszüge zeigten jetzt eine große Entschlossenheit und ihr ohnehin nicht gerade chwebender Tritt dröhnte wiederhallend auf dem gestampften Lehm des Schieß raumfußbodens. „Oh, Eusebia, ist das Essen bereits fertig“? fragte Frau Agathe ihre Gehilfin und trat ihr einige Schritte entgegen. „Das schon, geht bald zu Mittag, erwiderte die brave Eusebia trotzig, „aber zu Essen gibts heute nur dann, wenn ich 2 meinen ausständigen Lohn krieg, sonst und ihre grauen Augen funkelten ihre Gebieterin drohend an. „Sonst läßt du alles anbrennen und verbrennen, wie“? meinte Frau Agathe mit süßsaurer Miene, „du bists im Stand. „Bin ich auch, Frau“, erklärte Eusebia, „hab lange genug umsonst gedient und bin immer auf bessere Zeiten vertröstet worden, aber morgen abend wollen wir uns öffentlich versprechen, mein Kunz und ich, da wollen wir vorher sehen, obs auch langt zur Heirat, will daher wissen, wieviel Geld ich hab und ob es überhaupt zu haben ist“. „Ja natürlich“, sagte Frau Agathe und rieb sich recht verlegen die Händchen dabei, „hältst du uns für leichtfertiges Pack“? „das wohl nicht, Frau, aber Not bricht Eisen und Tugend und da mein ich ist es besser, wir ordnen die Sache jetzt, bevor noch mehr Leute in die Bude kommen, könnt nachmittags keine Zeit zur Abrede sein, meint ihr nicht auch“ „Hm, hm,“ machte es Frau Agathe und sah ihren Mann an, der etwas abseits hinter ihr stand und recht hilflos bald auf seine Frau und bald auf die so kraft¬ voll redende Eusebia sah, „wär freilich das Gescheiteste, das“ Sie sah nachdenklich auf ihre Finger¬ nägel und es trat ein recht peinliches Schweigen für einige Augenblicke ein, die Köchin und Magd für alles stand in gereizt erwartender Stimmung beobachtend 67 da, Frau Agathe schien einen Ausweg aus der heiklen Lage zu suchen und Emmerich suchte am Fußboden jene Schätze, die er jetzt zu besitzen gar sehnlichst wünschte Endlich brach Frau Agathe das peinliche Schweigen, sie trat ganz nahe an ihre wackere Eusebia heran, legte ihre Hand beruhigend auf deren Unterarm und sagte so freundlich als sie es in der Zwangs¬ lage in der sie sich befand, nur zu tun vermochte: „Gut Eusebia, gleich kann ich nicht mit dir abrechnen, das Geschäft geht bevor, aber nachmittag wollen wir darüber reden „Mit dem Reden allein ist mir nicht geholfen, geredet haben wir schon genug darüber, Frau“, erwiderte die Magd, „bis vier Uhr morgen nachmittag will ich meinen ausständigen Lohn, sonst „Na, sonst“? fragte Frau Agathe zaghaft und ließ ganz entsetzt über den drohenden Ton, in welchem ihre Magd prach, deren Arm los und trat etwas von ihr zurück, als fürchte sie einen Angriff von ihr. „Was sonst“, lachte Eusebia höhnisch, „mein Kunz wird, erhalte ich bis zur gesetzten Zeit nicht meinen Lohn, sonst mit seinen Freunden die Bude hier wohl in Trümmer hauen können — habs euch gesagt Frau, seit gewarnt davor, mit ahrenden Leuten macht man wenig Ge¬ schichten, also, merkts Drehte sich um und stapfte hoheitsvoll, mit einer Miene, die wohl sagen sollte: „Der hab ichs gegeigt“, aus dem Schu߬ räume. Emmerich starrte ihr nach, als ehe er einen Geist entschwinden, Frau Agathe aber trat auf ihn zu, schüttelte den starr dastehenden Ehemann recht derb auf und sagte, fast stotternd vor Zorn: „Du, jetzt hab ich das Elend und die Demütigung aber satt, das alles muß ich mir sagen lassen und du stehst wie ein Maulaff dabei und kaust die Finger¬ nägel“ „Aber was soll ich dabei tun“? fragte er kleinlaut. „Was? Gleich gehst du zum Stadt¬ richter und forderst bei ihm mein väterliches 5*

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