Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

66 soweit die Augen sehen, mein Alter hält ein Geld auch fest verschnürt und er hat gehörig silberne Katzen, da soll der Teufel ein Leben machen“. „Ach was“, lachte frei Agathe leicht hin, „gibt Gott ein Haserl, gibt er auch dafür das Graserl, wir werden uns schon durchbringen“. Zwei stämmige Bauernburschen, die eben herantraten und ihr Glück im Bogen¬ chießen versuchen wollten, zu welchen die hübschen Preise anlockten, welche ober der Eingangstür auf einem Brette ausgestellt waren, beendeten die nicht sehr erbauliche, geldgebarliche Auseinandersetzung der ungen Eheleute, welche die Ankömmlinge, welche die ersten Besucher waren der Bude, auf dem eben eröffneten Jahrmarkte, unter vielen schönen Worten in die wackelige Schießbude geleiteten und ihnen Bogen und Pfeile reichten und den Zieler zu den Scheiben hinausschickten, die ein wenig aufwärts am Pfarrberg standen und auch onst sehr freundlich taten, denn die ersten Kundschaften am Tage bringen den Ge¬ chäftsleuten Glück für den ganzen Tag. Dieser Aberglaube ist bei den „fahrenden“ Leuten ebenso eingewurzelt, wie bei den eßhaften Kaufleuten. Das junge Ehepaar gehörte nicht so recht zu den „fahrenden“ Leuten, es hatte das nicht sehr hoch in der Achtung stehende Gewerbe nur ergriffen, weil Emmerich selbst ein guter Bogenschütze war und auch Bogenschnitzer, der im Schloß droben als solcher im Dienst gestanden hatte. Da lernte er die Agathe auf einem Markt in Wels droben kennen, deren Mutter dort einen „Tiergarten“ zur Schau stellte und dabei die Tiere, best abgerichtet, den staunenden Zusehern vorführte. Die Mutter der Agathe, Frau Afra, war eine große, starke Frau in den besten Jahren, bereits Witwe und war, gleich ihrem ver¬ storbenen Manne, in Stadt Steyr behei¬ matet, weswegen ihr der Magistrat die Vorführung ihrer kunstgeübten Tierwelt in der Stadt nicht versagen konnte. Frau Afra und ihr Mann waren aber ge¬ borenes „fahrendes“ Volk und hatten schon gar mancherlei Gewerbe ausgeübt, ohne festen Halt dabei zu finden, bis Frau Afra auf den Gedanken gekommen war, sich mit der etwas seltenen Tierwelt zu befassen, abzurichten und den Marktbesuchern vorzuführen. Das zog und brachte Geld ein, denn die oft einsam genug auf ihren Siedelungen um die größeren Orte hau¬ senden Leute hatten derlei nie gesehen und fanden daran viel Gefallen. So hatte auch Emmerich bei einer solchen Vorstellung die Agathe kennen gelernt, sich in dieselbe ogleich sterblich verliebt und trotz des Ein¬ spruches seines Vaters, da er eben gro߬ jährig geworden war, geheiratet. Da man weder in der Burg droben, noch in Stadt Steyr herunten, diese Ehe gern ah, Frau Afra, deren Gatte zu der Zeit gestorben war, ihren Segen auch nicht gern dazu gab, da sie ihre Tochter im Geschäfte nicht missen wollte und daher der Heirat der noch Minder¬ jährigen zwar zustimmte, aber mit derem Erbteil nicht herausrückte, so blieb dem verliebten Emmerich nichts anderes übrig, als sich raschest einen selbständigen Erwerb zu gründen und suchte um die Bewilligung beim Burggrafen und beim Magistrat an, einen Bogenschießstand errichten zu dürfen, was ihm, als Fachmann in derlei, denn auch gewährt wurde, worauf er flott die Agathe heiratete und sich mit seinem Schießstand den marktfahrenden Leuten zu¬ gesellte, bis jetzt mit wenig Erfolg, denn trotz größter Sparsamkeit kam das junge Ehepaar auf keinen grünen Zweig. Frau Afra und ihren fahrenden Zwinger hatten ie jetzt zufällig in Stadt Steyr wieder getroffen, nachdem sie von demselben in der letzten Zeit nichts gewußt hatten und so hatte deren Erscheinen am Jahrmarkt in Emmerich und Agathe den Wunsch hervorgerufen, sich das Erbe der letzteren zu sichern und mit demselben sich in eine feste Lebenslage zu bringen, da auch Emmerichs Vater, höchlich entrüstet über dessen „unter dem Stand“ geschlossene Ehe, jede Hilfe seinem Sohne verweigerte. Als die zwei Bauern der Künste im Bogenschießen genug und sich entfernt hatten, trat durch das Türchen neben den Scheiben ein weibliches Wesen herein, mittelgroß, sehr

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