Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1920

76 Und ihr lachend zunickend, schritt der Markgraf aus der Küche hinaus, worinnen es noch einige Zeit sehr lebhaft zuging. IV. Die merkwürdigen Vorgänge des nachmittags bildeten den Gesprächsstoff der Burgleute den Abend über und die kühne Tat Chliperichs fand ebenso Be¬ wunderung, wie der resche Diebsfang Ludmillas und die Lobsprüche über die beiden jungen Leute wollten kein Ende nehmen, ebensowenig wie das Gelächter über das grause Schicksal des Diebes, den übrigens der Burgvogt nach einer entsprechenden Strafpredigt und Verwar¬ nung dem Torwart, zum „vor das Tor tellen, wie Reinhold das nannte, über¬ geben hatte. Der Torwart ließ den traurig genug aussehenden Dieb beim Tore auf die Zugbrücke hinaus, nicht ohne ihm beim Betreten derselben, noch einen derben Fußtritt verabreicht und als besondere Wegzehrung noch einige derbe Kosenamen und nach derberen Wunsch auf den Weg mitgegeben zu haben, wofür sich der so arg zugerichtete Dieb zwar nicht bedankte, dafür aber eiligst auf nimmerwiedersehen im schon hereinbrechenden Abendunkel ver¬ chwand. Der Leibknappe Chlothar war auf einem Sohne Chilperichs nicht wenig stolz und als er abends mit dem Burgvogt und Zwentibold, wie fast allabendlich zu geschehen pflegte, in der Stube beim Torwart saß, wo die täglichen Ereignisse in und außer der Burg wacker und gründlichst durchgehechelt wurden, fragte, nachdem der Burgvogt den heutigen „Fischfang“ zum soundsovieltenmale ge¬ nauestens geschildert und Chilperichs Lob dabei zu spenden nicht vergessen hatte, der Leibknappe plötzlich und ohne jeden Ueber¬ gang ins Gespräch, fest und bestimmt im Ton: „Also, Freund Zwentibold, hast du noch immer etwas dagegen, daß Chilperich dein Schwiegersohn wird? Ist er noch zu sanftmütig, he?“ „Wenn du einen noch lauteren Helden etwa suchen tätst, könntest dir wohl einen gröberen, aber keinen beherzteren inden,“ warf der Burgvogt etwas spitz ein, „Koch, kann der Chilperich noch immer werden.“ „Schon gut,“ sagte Zwentibold lächelnd und besah den Wein in seinem Glas durchs Licht, „hab mit meiner Alten schon über die Sach' gesprochen. „Und Frau Ulrike, was meint denn die?“ fragten Burgvogt und Torwart fast gleichzeitig. „I, nun ist alles recht,“ meinte Zwentibold bedächtig, „wenn nur der gnädige Herr Markgraf nichts dagegen hat. „Das wird sich finden, Freund, agte Chlothar und hielt dem Zwentibold die braune Rechte hin, „schlag' ein, Braut¬ vater!“ Zwentibold schlug herzhaft ein in die dargebotene Hand seines Freundes und drückte dieselbe fest, der Burgvogt „durch¬ hieb“ mit seiner Flachgehaltenen rechten Hand die beiden sich drückenden Freundes¬ hände und sagte kurz: „Zeuge“ — wie es damals Sitte war. Des anderen Tages gingen der Zwen¬ tibold und der Chlothar des vormittags, als der Markgraf von Sirnicha, wo er mit seinem dortigen Vogte etwas zu be¬ sprechen gehabt hatte, heimkehrte, zu ihrem Gebieter und redeten, der Zwentibold „er hätte eingesehen, daß es das gescheideste wär wenn es nun doch schon so sein soll“ und der Leibknappe Chlothar, daß der „Chilperich doch nicht ganz so sanft zu ein scheine, wie ihn der gnädige Herr sich denke“ und wollten daran die Bitte um die Ehebewilligung für das liebe Paar bitten, wozu sie aber nicht kamen, denn der Markgraf unterbrach sie gutlaunig lachend: „Weiß schon, daß der Chilperich Mut hat und nicht von der Sanftmut allein lebt und daß der Ludmilla Verstand und Schneid auch für beide reicht. Habens gestern bewiesen, die zwei! Mut und Schneid mit Verstand verbunden, das gibt der Ehe doch wohl eine gute Grundlage sollen sie haben, die zwei und der hoch¬ würdige Pfarrer in Sirnicha, unserer heiligen Kirche Segen, baldig dazugeben!“

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