Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1920

74 Ludmilla war inzwischen zur Küche gelangt, die sich im Erdgeschoße des Haupt¬ gebäudes der Burg befand, die Fenster auf die Steyr hinaus hatte, während der Eingang im Hofe war, dem Torturme gegenüber, der sich über dem nach der heutigen „Enge“ sich öffnenden Tore befand. Mit der Ludmilla waren die zwei „stetigen“ Küchenbewohner zum Anstaunen des Rehleins hinausgeeilt, die alte Ab¬ waschfrau und der Küchenjunge, welch letzterem das Holz= und Wassertragen, sonstige schwere Handleistungen und wohl auch die Stelle eines schlechten Launen¬ ableiters des zuweilen recht mürrischen Zwentibold zukam. Die Küche und der nebenan befindliche als „Speise“ benützte Raum war daher kurze Zeit ohne jedwede Aufsicht. Bevor Ludmilla zum Zwinger hingeeilt war, hatte sie einen eben beim Brunnen von ihr gereinigten Blechtopf, wie solche zum Wasser wärmen benützt verden auf die Steinbank vor der Küchentür hingestellt, da sie sich vor Neugierde nicht mehr Zeit nahm dieses umfangreiche Blech¬ geschirr in die Küche hinein zu tragen, jetzt nahm sie den Blechtopf und schritt damit durch die Küche und wollte in die Speis“ hinein den Topf dort niederstellen. Sie schüttelte etwas erstaunt das blondgelockte Haupt als sie die Tür zur „Speis“ offen fand, denn sie erinnerte ich bestimmt, diese vorher zugezogen zu haben, blieb aber auf der Türschwelle wie gebannt stehen, denn was sie da sah raubte ihr schier den Atem und machte ihr Herzchen fast stille stehen: denn vor dem langen, längst der ganzen einen Wand hinlaufenden Tische stand, ihr den Rücken zukehrend ein Mann, der, das wußte sie ogleich bestimmt, nicht zum Küchengesinde und nicht zu jenen der Styraburg gehörte. Das ganze Gehaben des Mannes kam ihr sogleich nicht recht geheuer vor, sie blieb daher stehen und rührte sich nicht. Der Fremdling hatte die nahende nicht gehört und sie auch nicht bemerkt, er musterte alle Gefäße die auf dem Tische standen, tauchte seinen Finger in das Rahmhäferl und schleckte dann schmatzend den vom dicken, feinst riechenden Rahm triefenden Finger sauber ab, schnitt von dem für das Vesperbrot des Markgrafen bestimmten Bärenschinken ein Endchen ab und ließ es in seinem Munde mit einem leisen „Ah¬ verschwinden und liebäugelte mit den silber¬ nen, frischgeputzten Löffeln und den silbernen, mit den steirischen Panther, dem Wappen der Ottokare, versehenen etlichen Gabeln beäugte alles genau und ließ sachte und geräuschlos einige Stücke davon in sein Wams verschwinden. „Ein Dieb — der Dieb,“ sagte sich die nicht wenig über solch keckes Tun er¬ boste Ludmilla und bei hellem Tag wie fang ich den Gauner, ich bin allein —“ Da drehte sich der Dieb um und gewahrte Ludmilla. Einen Augenblick stutzte er, dann schien er sich auf sie, die ihm den Rückweg verrammelte, stürzen zu wollen. Ludmilla begriff sogleich um was es sich handelte, — jetzt mußte der Gauner dingfest gemacht werden, oder entkam wieder und wohl auf nimmerwiedersehen. „Ein Dieb, Hilfe, hieher Leute“ schrie Ludmilla auf und stürzte wohl ohne vorerst zu wissen was zu tun sei, dem Manne wie ihn aufhalten zu wollen entgegen. Der wollte nach ihr greifen, in dem Augen¬ blicke hob Ludmilla sowohl zur Wehr als auch zum Angriff den Blechtopf hoch, schlug zu und stülpte dem Manne das Gefäß so über den Kopf, daß dieser bis zum Halse, wie mit einen Helm von Eisen¬ blech, umschlossen war. Der Dieb zappelte in der merkwürdigen Falle drin und wollte sich den Topf über den Kopf hinaufschieben. „Was, du Lump du elendiger“ schrie Ludmilla, „heraus willst aus den Blech? drinnen bleibst, sag ich, die Leut sollen sehen wer sie seit einer Woche bestiehlt Lump — Lump Und sie zog den Topf an den Henkeln herab soweit es ging und hämmerte mit den Fäusten auf den Topfboden, oben am Kopfe des Einbrechers, daß es eine Art hatte. Zu seinem Unglücke hatte der Gau¬ ner überdies noch einen Kopf, der nicht ganz freiwillig in den Topf hineinging, die tüchtigen Faustschläge Ludmillas aber

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