Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1920

Und die Hilfe für das angsterfüllte Tier nahte sich jetzt schnell. Chilperich, befriedigt, daß sein Vorgesetzter dies für einen Jäger wohl einzigartige Bild noch gesehen hatte, faßte mit geschicktem Griff die Schlange knapp hinter dem Kopfe, wohl in der Absicht, sie dadurch unschäd¬ lich zu machen und sie dann zu töten, die Schlange aber gewahrte den neuen Gegner und dessen ihr tötlichwerdenden Druck in ihrem Genick, ringelte sich blitz¬ artig schnell vom Vorderlauf des Rehes ab, streckte sich und wand sich einen Augenblick wagrecht wie ein Fahnentuch im Winde und umschlang gleich darauf den linken Arm Chilperichs, den er nahe dem rechten Arm angestreckt hatte, jeden¬ falls um die Schlange am Laibe zu packen, und machte so die Hände Chilperichs un¬ fähig zu jeder Bewegung. Der Burgvogt, der einen Ast abgebrochen und die Absicht hatte auf die Schlange loszuschlagen, stand jetzt ebenso einige Atemzüge lang untätig und mit sich beratend was zu geschehen habe da, wie Chilperich. Der aber rannte plötzlich mit straff vorgestreckten Händen die wenigen Schritte den Abhang hinab, der Burgvogt hinter ihm drein und letzterer ah nun mit fast verständnislosem Staunen wie der Knappe am Ufer der Enns auf seine Knie mehr hinfiel als hinkniete und den Oberleib weit herabbeugend die Arme rasch und tief ins quirlende Wasser tauchte. Burgvogt und Knappe verharrten einige Augenblicke in ihren Stellungen, dann prang Chilperich plötzlich auf und dem Burgvogt die von der Schlange befreiten Arme hinstreckend rief er freudig: „Das Gewürm ist weg, Herr Burg¬ vogt, so, Gott sei's Dank, jetzt will ich nur schnell nach dem Böckerl sehen, dürft sich erholt haben von dem Schreck kaum würd' gar sehr in den Zwinger des Herrn Markgrafen taugen! Sprachs, war schon wieder im Ge¬ büsch drinnen, ein knacken und rumoren ein Jubelschrei und gleich darauf erschien der Knappe und trug auf seinem, eben von der Schlange befreiten, vom Wasser noch triefenden Armen das Rehböcklein, das sanft wie ein verhätscheltes Lämmlein 73 sich tragen ließ und sich willig an die Brust des Knappen schmiegte. „Da, da, Herr Burgvogt,“ sagte Chilperich, diesem das Tierlein hinweisend, „ist's nicht ein prächtiges Stück für den 27/*) Zwinger: „Ja, allerdings,“ erwiderte der Burg¬ vogt das sanste Rehlein streichelnd, „aber deine Leistung von vorhin war auch prächtig — der Hurch aber scheint aus Angst vor der Schlange auf und davon zu sein und die Enns hat meine Angel amt Stock davongeschwemmt, sieh, dort wirbelt das Zeug herum — ein mi߬ glückter Fischfang, dafür aber wars eine nette Jagd, die mehr wert ist als ein Hurchenfang! Komm heimwärts Chilperich, sonst wird das Böcklein auch noch über¬ mütig und springt uns am Ende noch davon .- was man doch alles zu sehen kriegt!“ Die beiden schritten gegen die Burg zu, der Burgvogt unter wartendes Lobes ür den Chilperich, der aber sich im Geiste ausmalend, welche Freude seine Ludmilla an dem Tierlein wohl haben würde, der er es zur Pflege übergeben wollte. III. In der Styraburg liefen natürlich alle Leute zusammen als das „Fischen gewesene Paar mit einem jungen Reh¬ böcklein heimkehrte und auch die resche Ludmilla freute sich über die entschlossene Tat ihres Liebsten und sagte ihm einige anerkennende Worte, worauf sie das Reh¬ lein selber in den Zwinger hinab trug, es dort in der Unterkunftshütte abgesondert in einem mit Stroh belegten Raum sperrte und mit Heu einstweilen noch versorgte und dann in die Küche eilte, denn sie hatte für den Markgrafen das Vesperbrot noch zu besorgen, während der Burgvogt lächelnd den neugierigen Zuhörern die Tat des bescheiden dabeistehenden Chilperich er¬ zählte, wobei es „Ah“ und „Oh“, „Wacker, „Blitz Hagel alle Welt“ als staunende und lobende Ausrufe die Menge gab. *) Der Zwinger ist im Schlosse noch vorhanden. Er diente wohl einmal als eine Art „Menagerie" und auch für die Unterkunft der Jagdhunde. Der heutige Zwinger ist sehr „modernisiert“.

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