Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1920

66 und das große Freskengemälde, den Sturz der Engel darstellend, vom Maler Größer in Steyr erneuert. Am 2. Juni war hier eine Wander¬ versammlungdes, Oberösterreichi¬ schen Bauernvereines“ projektiert, unterblieb aber, indem die Vorsteher aus unbekannten Gründen nicht erschienen, wahrscheinlich wegen der geistlichen Gegen¬ agitation in den benachbarten Land¬ gemeinden. Das äußerst schlechte Wetter dieses Herbstes erzeugte auch viele Krankheiten bei Menschen und Tieren. Bei uns in Steyr herrschte anfangs November die Blatternkrankheit fast epidemisch und wegen der in Niederösterreich epidemisch grassierenden Rindviehseuche ist schon seit mehreren Wochen der Vieh= und Fleischbezug von dort an der Grenze ab¬ gesperrt. Am 24. November kam der neue Statthalter in Oberösterreich, Baronvon Weeber nach Steyr, besichtigte alles und blieb zwei Tage. Die Blatternepidemie nimmt Ende November erschreckend zu und sind über 300 solcher Kranker in Steyr. 1882. Die Aussichten sind sehr trübe erstens hat der unersetzbare Waffenfabriks¬ generaldirektor Herr Josef Werndl infolge eines nervösen Anfalles neuen Urlaub angetreten und man besorgt sogar seine baldige Resignation; zweitens droht unserer Stadt durch die am 1. Jänner 1882 erfolgte Verstaatlichung der Westbahn und wahrscheinliche Vereinigung mit der Rudolfsbahn der Verlust unserer seit 1872 hier stationierten Bahnbetriebsdirek¬ tion mit mehr als 200 Beamten und drittens nimmt die hier seit Beginn des vorigen Jahres grassierende Blattern¬ epidemie nun sogar noch zu und sind gegenwärtig 20 Häuser damit angesteckt. Endlich drohte Oesterreich in Süddalmatien und Herzegowina ein allgemeiner Aufstand der halbwilden Bergvölker und finden bereits bedeutende Truppensendungen dafür statt, worunter sich auch aus Ober¬ österreich das 14. Infanterieregiment und das 3. Jägerbataillon. Am 10. Jänner erhielten vom König von Rumänien aus Anlaß der Waffen¬ lieferungen der Generaldirektor Josef Werndl, zwei Werkmeister und Herr Bürgermeister Georg Pointner Orden. Herr Generaldirektor Josef Werndl hat glücklicherweise seinen Urlaub abgekürzt und reiste schon wieder nach Paris. Am 15. großer Börsenkrach in Wien und Paris. Am 16. und 21. Durchpassierung der eingerückten Urlauber und Reservisten nach Dalmatien. Die Blatternepidemie leider noch immer im Zunehmen, sodaß am 22. Jänner bereits 40 Häuser infiziert waren und sogar das zum Armenhausbau angekaufte „Bierführerhaus“ in Aichet als Notspital verwendet werden muß und ein eigener Wagen zum Transporte der Blatternkranken bestimmt wurde. Todfälle waren im Jänner 63, worunter 19 an Blattern, 3 Scharlach, 5 Diphtheritis. Infolge der Verstaatlichung der Rudolf= und Elisabethbahn übersiedelten von der hiesigen Betriebsdirektion bereits am 1. Februar 18 Beamte nach Linz und später noch mehrere nach Wien. Am 24. Februar große Versamm¬ lung des Gewerbevereines wegen des Fortbestandes der im Jahre 1877 hier vom k. k. Handelsministerium errichteten Eisenwaren=Versuchs=Werkstätte, wozu die Stadtgemeinde, das Lokale, die Bedienung, Beheizung und Beleuchtung gratis liefern und das Reitmayrsche Wasser¬ werk in Aichet um jährlich 700 fl. pachten mußte und welcher Pacht nun jetzt vom Eigentümer gekündet ist, daher die Stadt für die zu vergrößernde Anstalt ein neues Gebäude herstellen soll, wogegen aber selbst von den Eisenindustriellen eine heftige Opposition auftrat, welche schließlich nur von dem eigens nach Steyr abgeordneten k. k. Ministerialreferenten Hauffe über¬ wunden werden konnte, sodaß dann in der Gemeinderatssitzung am 27. Februar die Erbauung des fraglichen Schulgebäudes

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