194 Ich war bei einer großen Reeder¬ firma angestellt — und um es kurz zu — in die Tochter meines Chefs bis agen über beide Ohren verliebt. Marie war die einzige Tochter und der Vater Millionär. Da war ich freilich mit meinen paar Knöpfen väterliches Erbteil und in meiner Stellung gerade keine glänzende Partie. ich wußte, daß Marie mich gern sah, Aber schüchtern war ich mein Lebtag nicht. und Also, eines Tages schlüpfte ich in den Frack und mache bei Papa Wertstein einen Besuch. Er goß sich aufs neue ein Glas ein und leerte es auf einen Zug. „Wenn ich damals vom Alten einfach hinausgeworfen worden wäre, ich wette, ich hätte mich tod¬ unglücklich gefühlt, und doch wäre es ein Glück gewesen. So kurzsichtig ist der Mensch. Aber Herr Wertstein wies mir nicht die Türe. Im Gegenteil, er sprach sehr höflich und ruhig zu mir. Sie kennen mich, junger Freund, und wissen, daß ich kein Protz bin. Gegen Ihre Person habe ich auch nichts einzu¬ wenden. Wenn ich trotzdem nicht gleich ja sage, so tue ich dies aus Gründen. Ich kenne Marie vielleicht besser als Sie, und ich kenne auch unsere Gesellschaft. Wenn Sie sie heute heiraten würden, dann wären Sie trotz allem, trotz aller Fähig¬ keit und Tüchtigkeit doch nur zeitlebens der Mann Ihrer Frau. Und das, glauben Sie mir, wäre für sie beide ein Unglück. In Ihrem Interesse muß ich deshalb da¬ rauf bestehen, daß Sie ein größeres eigenes Vermögen mitbringen. Wenn Sie mit Marie einig sind, dann hat es ja auch weiter keine Gefahr. Ich, darauf gebe ich Ihnen mein Wort, werde meine Tochter zu keiner anderen Ehe veranlassen oder gar zwingen. Ihr seid ja beide noch jung und könnt ein paar Jährchen warten. „Nun, Sie werden mir zugeben, daß dies Resultat meiner Werbung ganz an¬ nehmbar war. Damals freilich schien es mir nicht der Fall. Die Jugend ist so ungeduldig und will nicht warten, trotzdem doch noch das ganze Leben vor ihr liegt. Erst im Alter, wo wir nicht wissen, ob wir den nächsten Tag erleben, erst da lernen wir Geduld. Komischer Widerspruch, nicht? Also, wie gesagt, ich hatte keine Lust, ein paar Jahre zu warten und zu arbeiten. Rasch reich werden war die Parole. Aber wie? Die Antwort gab mir ein Freund, der in einem Bankhaus angestellt war. Er führte mich in die Geheimnisse des Börsenspieles ein. Mein kleines Erbteil war das Grundkapital. Ich spielte mit wechselndem Glücke, aber nach wenigen Wochen hatte ich die Summe doch ver¬ doppelt. Oder vielmehr, mein Freund hatte es getan. Ich selbst hatte, was man zu sagen pflegt, keine glückliche Hand, während er sozusagen die Konjunkturen witterte und ast nie daneben griff.. Und da ich keine eigentliche Spielernatur war, sondern nur rasch reich werden wollte, überließ ich ihm die ganze Gebarung, umsomehr, da ich wußte, daß ich mich auf seine Ehrlich¬ keit verlassen konnte. Ich ließ ihm voll¬ tändig freie Hand und hatte meist keine Ahnung, in welchen Papieren er mit meinem Gelde spekulierte. Das Verhältnis blieb das gleiche, als er in einigen Monaten in eine andere Stadt übersiedelte; ich war es zufrieden, wenn er mir von Zeit zu Zeit den stets wechselnden Betrag meines Bankkontos mitteilte. Eines Morgens erhielt ich ein Tele¬ gramm: „Große Aktion bevorstehend, soll ich ganzes Kapital einsetzen?“ Statt der Antwort sandte ich ihm telegraphisch noch eine größere Summe, die ich auf ver¬ chiedenen Seiten aufgetrieben hatte. Als ich am nächsten Morgen ins Bureau ging, riefen auf der Straße die Zeitungsjungen aus: Großer Börsenkrach. Millionen verloren. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Alle meine Hoffnung war zertrümmert. Die Jugend ist schnell von Entschlüssen. Noch am gleichen Tage schwamm ich auf dem Ozean. Ich hoffte, in fernen Ländern auch ohne Kapital mir ein Vermögen zu erwerben. An Marie und ihren Vater hatte ich einige Abschieds¬ zeilen geschrieben, aber ohne anzugeben, wohin ich mich wandte. Sonst benachrich¬ tigte ich keinen, am allerwenigsten meinen Freund, den ich ja für den Verlust nicht haftbar machen konnte. Es ging mir, wie es den meisten an¬ dern geht. Auch jenseits des Ozeans liegt
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