Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1919

87 innerlich jemanden aus. „Und dann der „Wohl geraten, weiser Rechtsver¬ andere, mein künftiger Nachfolger, ist dreher. Und zu diesem Zwecke gehe ich wirklich ein reizender Kerl, mit welchem scheinbar auf alles ein, was sie will. ich es nicht aufnehmen kann. Erst gestern Fritz, Junge, es kommt alles wieder habe ich mich deshalb mit meiner Schwie¬ ins rechte Geleise. Wenn mich nicht alles germutter gestritten, welche in ihrer alt¬ täuscht, dann beginnt sie schon zu ver¬ modischen Art katholischer ist wie der gleichen und zu überlegen. Wenn ich Papst und von der Ehescheidung nichts sie dem Kerl nicht wieder abjage, dann wissen will. Gestern hat sie in meiner verdiene ich es gar nicht anders.“ Gegenwart den andern einen Dumm¬ Eine Woche später erhielt Dr. Rei¬ kopf und Gecken gescholten und mich ser ein Telegramm, mit der Bitte, zum selbst so in den Himmel hinauf ge¬ Nachtzug am Bahnhof zu sein. Auf dem hoben, daß ich beinahe schamrot ge¬ Bahnsteig traf er seinen Freund Karl worden bin. Ich habe natürlich Lud¬ — — und Frau Ella. wig — er heißt Ludwig — verteidigt, Karl nahm ihn beiseite. „Wir aus innerer Ueberzeugung heraus, und brennen zusammen durch, Fritz, vor schließlich Ella zur Zeugin aufgerufen. dem andern. Ella hat ihn satt bis Sie müsse es bestätigen, daß der an¬ über den Hals hinauf. Wir haben be¬ dere der bessere Mann sei. Denke dir, schlossen, zusammen zu fliehen. In¬ da schlägt sie die Hände vor das Ge¬ zwischen habe du die Güte, diesem Herrn sicht, fängt an zu weinen und läuft fort.“ Ludwig die Sachlage klar zu machen.“ Reiser faßt mit beiden Händen nach Frau Ella saß bereits im Abteil, dem Kopfe. „Ich bitte dich, halte ein der Schaffner drängte, es sei höchste wenig ein, sonst werde ich verrückt. Mir Zeit zur Abfahrt. Lachend schüttelten geht das alles wie ein Mühlrad im die Freunde einander die Hand. Der Kopfe herum. Du verkehrst also noch 77 Rechtsanwalt sah voll Neid dem ent¬ deiner Schwiegermutter? bei eilenden Zuge nach. „Natürlich, jeden Abend bin ich dort. Er natürlich auch. Ich versichere „So ein Glückspilz! Macht jetzt die dir, es sind reizende Abende. Mittwoch zweite Hochzeitsreise, und ich habe es war ich nicht dort, ich hatte eine drin¬ noch nicht zur ersten gebracht! Aber gende Sitzung, da hat mir Ella am der Wahrheit die Ehre, die beiden ver¬ andern Morgen tüchtig den Kopf ge¬ dienen es. Und noch nie hat mir ein waschen. Sie habe sich gelangweilt.“ Auftrag soviel Freude gemacht, als die¬ Reiser atmete tief auf. „Ganz ver¬ ser. Neugierig bin ich nur, was für ein stehe ich die Sache noch nicht, Karl, Gesicht der Herr Ludwig machen wird, aber es beginnt bei mir zu dämmern. wenn ich ihm mitteile, daß seine Braut Da du deine Frau verloren hast, so durchgebrannt ist mit — ihrem willst du sie wieder erobern. Mann.“ Trost. Wie schwer und hart liegt auf uns allen Da kann nur eins uns aufrecht halten: Die Last von diesen Schicksalstagen Ein Blick empor zu jenen Zinnen, Zu unserm Kreuz, mit dem wir fürder wallen, Zu jenen alten Lichtgestalten, Muß jeder noch ein zweites tragen. Wo Leid und Schmerz in nichts zerrinnen. Oft, wenn wir niederbrechen wollen Ihr ewig gleichen, ewig schönen Und stöhnend mühsam weiter keuchen Flößt Balsam in die tiefen Wunden, Weil dieser Last der übervollen Auf daß erfüllt wird unser Sehnen, Seit Weltbeginn mag keine gleichen; Daß endlich wieder wir gesunden! G. Goldbacher.

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