62 Rückweg nach dem heimischen Herd an¬ zutreten. Man hatte dazu seinen beson¬ dern Grund, denn seit einiger Zeit wurde auf den Dörfern durch verkleidete Polizisten und Leute des Hilfsdienstes äußerst scharf aufgepaßt. Herr Krause kam am Ziele an, er hatte noch viel Zeit. Da fiel ihm ein, daß man in dem in der Nähe der End¬ station gelegenen Gasthof ein anstän¬ diges Glas Kriegsbier trinken konnte. Eben wollte Krause nach dem Gasthof gehen, als er seinen „Kegelbruder“ Meier traf, der auch wie er einen leeren Rucksack auf den Rücken trug. „Nanu — lieber Meier, wo wollen Sie denn hin? Wohl auch hamstern?“ „I wo — was denken sie denn, ich will nur Futter für meine Kaninchen holen. Sie wissen doch, ich habe seit vorigem Jahre ein paar echte Belgier in meinem Schrebergarten.“ „S—0—o — ich dachte, die hätten Sie verkauft. Wenn ich mich recht ent¬ sinne, haben sie mir so etwas vor 'nem halben Jahr erzählt.“ Herr Krause mußte in der Tat ein merkwürdig scharfes Gedächtnis besitzen denn sein Kegelfreund erblaßte und meinte plötzlich in fast beschwichtigendem Tone: „Na ja, lieber Krause — man muß jetzt vorsichtig sein, hinter uns kamen nämlich Leute her. Sie haben Recht, gebraten haben wir die Dinger. Wissen sie, es ist schrecklich, nichts, rein gar nichts kriegt man hier draußen mehr! Denken sie nur — na, vorläufig wollen wir uns erst mal einen gemütlichen Tisch suchen, dann erzähle ich ihnen meine heu¬ tigen Erlebnisse.“ Die beiden setzten sich an einen abseits stehenden Tisch in der sich lang hinziehenden Gaststube, an dem ein ein¬ zelner, noch recht jung aussehender, blas¬ ser Mensch saß, der Zigarette rauchte und dabei eifrig in einem schmierigen Rollenhefte las, auf dessen Umschlag¬ deckel mit verwischter Tinte stand: „Die Räuber“ — Spiegelberg. Sein Ziga¬ rettenrauchen ärgerte Herrn Krause und er warf dem Menschen einige mi߬ billigende Blicke zu, die dieser jedoch scheinbar nicht bemerken wollte. Als der Kellner das Bier gebracht hatte, dämpfte Herr Meier seine Stimme zum Flüsterton herab und erzählte, daß er von Neudörfel käme, wo er in minde¬ stens vier Bauerngütern nach Butter und Eiern vorgesprochen habe, ohne etwas zu bekommen. Und was das Schlimmste gewesen wäre, ausgerechnet dreimal habe ihn jemand, anscheinend ein Gendarm in Zivil gefragt, was er in den Bauern¬ gütern gewollt habe. Krause wurde es schwül zumute, ihm ahnte Schlimmes. Sein armer Kegelbruder fing ihm an, in der Seele leid zu tun, als er ihn jetzt so trübselig sein halbausgetrunkenes Bierglas anstarren sah. Er faßte sich ein Herz und sagte leise: .— Meier, wenn sie mich „Sie nicht verraten, dann — kriegen sie auch etwas ab. Ich will nämlich auch nach Neudörfel. Ich habe dort Beziehungen zum Erlengute und hole mir da ein paar Mandel Eier. Mich erwischen sie schon nicht! Ich gehe durch den Knap¬ pengrund und komme dann oben über die Bierbrücke in die Stadt zurück. Dort vermutet mich niemand. Krause läßt sich nicht so leicht erwischen!“ Er wollte noch weiter sprechen, da trat plötzlich ein anderer junger Mensch an den Tisch heran, machte eine feier¬ liche Verbeugung und legte einen The¬ aterzettel auf den Tisch. „Wenn die geehrten Herrschaften vielleicht heute abends ins Theater gehen wollen,“ begann der junge Mann. Weiter kam er aber nicht, denn plötz¬ lich fiel ihm Krause ins Wort, indem er sagte: — ins Theater gehen! Das „Was fehlte gerade noch. So'n junger Mann wie sie sollte sich doch jetzt anderswo nützlich machen, als hier auf dem Lande herumfaulenzen und Theater spielen.“ Mit bestürzter Miene wandte sich der Zettelausträger ab und verlor sich in der vollen Gaststube. Der junge Mann
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