er beabsichtigt hatte. Als er nachmittags in der vierten Stunde flußabwärts den Treideldamm entlang dem Haff zustrebte, war er nicht ganz zufrieden. Die Sonne glühte in einem Not, das ihm nicht ge¬ fiel, hinter einer Wolkenwand die sich im Westen bedrohlich in die Höhe schob. Auch der Wind hatte sich gedreht und blies warm; es war über Mittag Tau¬ wetter eingetreten. Doch das brauchte noch nichts befürchten zu lassen. Das Eis war stark und brauchte lange, bis es nicht mehr tragen würde. Es bestand aber die Gefahr, daß der an Stärke zunehmende Wind in Sturm übergehen konnte. In den Kampen im Westen des Haffes wa¬ ren immer offene Stellen. Wenn sich der Wind dort mit Macht aufs Wasser legte, drückte er die Flut ostwärts, und dann konnte das Eis allerdings nicht lange standhalten. Es bildeten sich dann lange und breite Risse, offene Stellen, „Blänken“ und wenn man ihnen auch tags durch Umwege ausweichen konnte, in der Dämmerung oder gar in der Dun¬ kelheit konnten sie verhängnisvoll wer¬ den. Der Schlittschuhläufer überdachte das alles. Aber er vertraute seinem guten Stern und legte sich wacker ins Zeug, um vor Dunkelwerden wieder jenen seltsamen Landstreifen, die Neh¬ rung, drüben am andern Ufer des Haf¬ fes zu erreichen. Schon lagen die Ein¬ fahrtsmolen des Flusses hinter ihm, als sich die Wolkenwand immer breiter aus¬ gedehnt hatte und immer dunkler ge¬ worden war. Dazu schien sie sich her¬ abzusenken. Ein dichter Nebel breitete sich um den Lehrer aus, so daß es schwer hielt, die Richtung beizubehalten. Der Wind kam jetzt in starken, harten, un¬ regelmäßigen Stößen, und von fernher tönte ein beängstigendes Knacken und Krachen im Eis. Reinhold Fröse sputete sich. Er hastete jetzt darauf los. Ob er die Richtung noch hatte, wußte er nicht mehr, um ihn war nichts zu sehen ald die graue Nebelwand. Dazu wurde es plötzlich dunkel. Der Zeit nach, müßte 59 er nunmehr die Küste erreicht haben. Er hörte aber kein Geräusch des nahen Lan¬ des, kein Hundegebell, keine Menschen¬ stimme. Auch war das Eis jetzt voller Buckeln und aufgeworfener Schollen, so daß er nur schwer von der Stelle kam. Er mußte also doch erheblich vom Wege abgewichen sein. Um den Fehler wieder gutzumachen, bog er mehr nach rechts aus. Da blinkte kurz vor ihm etwas matt auf. Erschreckt hielt er an und starrte in eine breite Blänke. Er lief nun ostwärts daran entlang in der Hoff¬ nung, es möchte sich ein Uebergang fin¬ den. Aber da sprang quer zu der ersten Blänke eine zweite auf, und der Schlitt¬ schuhläufer mußte nun noch weiter von seiner Richtung abbiegen. Auch diese an¬ dere Wasserrinne schien kein Ende zu nehmen, und wenn er so weiter fuhr, geriet er in Gefahr, in einen schilfbe¬ standenen Winkel zu geraten, wo das Eis noch morsch war. Da gab er die weitere Suche nach dem Wege auf und hegte nur die Hoffnung, nach der Ost¬ küste des Haffes zu gelangen, um den tückisch gewordenen Eisgrund mit dem festen Lande zu vertauschen. Mochte er dann am andern Tag auch auf einem langen Umweg, auf einer halben Reise um die Erde wieder nach seinem Da¬ heim auf der Nehrung gelangen! Rein¬ hold stand still und horchte. Kein Laut kein Licht. Ja, wenn der Leuchtturm noch brennen würde, aber der Krieg hatte ihn verlöscht. So blieb dem Irregegan¬ genen nichts weiter übrig, als seine Stimme in die Nacht hinauszuschicken. Wieder und wieder rief er. Keine Ant¬ wort. Eine bange Viertelstunde verging. Es mußte doch schon spät sein, und die Bewohner der Dörfer an der Haffküste waren sicher schon zur Ruhe gegangen, oder sie sparten notgedrungen das Licht. Endlich glaubte er, dem Wind entgegen eine schwache Antwort durch die Na#t klingen zu hören, und da, da blitzte ein Licht auf. Anscheinend nicht gar zu weit von ihm, sonst würde er es durch den Nebel gar nicht bemerkt haben. Das 8*
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