S Der betrogene Halter. C □ Von Heinrich Kematmüller. es immer gleich weg, von wo aus sein SIie Töne, welche ein Kuh= oder Gedudel musikalisch der Tierwelt am zu¬ sonstiger „Halter“, seinem ge¬ gänglichsten gemacht werden kann und er wöhnlich nicht einladend und vertrauen¬ würde es für eine Todsünde halten, erweckend aussehenden Horn entlockt, anderswo als am gewohnten Platz, in sind nicht nach jedermanns Geschmack und der oder der Gasse, das liebe Vieh zum erzeugen beim Zuhörer oft schon am süßen Nichtstun herauszurufen. Zum an¬ Tage jenes Unbehagen in der Stim¬ dern aber sei es, ohne der ehrsamen mung und eine große Neigung zur Un¬ Hirtenkaste im mindesten nahetreten zu geduld und zum physischen und geistigen wollen, gesagt, daß manches Mitglied „Dreinhauen“, Dinge, welche die Kin¬ dieses Standes einen Grad von Bos¬ der der neuesten Zeit mit „nervös“ zu heit und Verstocktheit besitzt, der bezeichnen lieben. Das Gedudel und Ge¬ ein anderes, nicht das Hirtenamt ver¬ tute eines „Halters“ kann aber uner¬ stehendes und ausübendes Menschenkind träglich werden, wiederholt sich dasselbe zur Verzweiflung bringen kann, denn immer zu einer gewissen Zeit und am eine noch so demütige Bitte, der Herr selben Orte, und der Aerger des un¬ „Halter“ möge anderswo so schön tuten, freiwillen Zuhörers ist dann umso grö¬ als gerade unter diesem Fenster, wird, ßer, wird er dadurch am frühen Mor¬ wenn seltsamerweise schon einmal nicht gen auf eine so barbarische, unharmo¬ mit einer tüchtigen Portion Grobheit, nische Weise dem Sorgenbrecher Schlaf so doch damit beantwortet, daß der Herr entrissen. „Halter“ von jetzt an justament und Wenn das hie und da einmal ge¬ noch dazu die ohrenzerreißendsten Töne schieht, nimmt man die Sache nicht all¬ gerade da zum Besten gibt, wo er es zu zu übel auf, aber Störungen der nächt¬ unterlassen gebeten wurde. lichen Ruhe durch Kuh= oder sonstige Der „Halter“ in N. besaß selbst¬ „Halter“ sind sehr ernst aufzufassen, verständlich diese Eigenschaften auch, und denn bei Abwehr dieser Angriffe auf das wußte der Ingenieur K., der über die Gesundheit haben friedliebende Sommer in diesem kleinen Orte des Staatsbürger zwei gediegen ausgebildete Banats seiner Beschäftigung als Geo¬ Charaktereigenschaften der „Halter“ zu meter nachzukommen hatte, und eben berücksichtigen, deren Unkenntnis oder deshalb würde er nicht um weiß was Außerachtlassung von vornherein jeden an den hirtlichen Grobian das Ersuchen Sieg der ruhigen Sache ausschließt. gerichtet haben, seine musikalischen Mor¬ Ein „Halter“ ist erstlich ein Mensch genandachten anderswo, als gerade un¬ mit riesig entwickeltem Gewohnheits¬ ter dem Schlafzimmerfenster des Geo¬ gefühl, daher läßt er seine lieblichen meters zu verrichten; aber täglich be¬ Töne immer an denselben Stellen im schäftigte dem Ingenieur die Frage, auf Orte erklingen. Sein scharfer Blick hat 55
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