Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1919

Werndl dagegen, doch wieder der bis¬ herige Abgeordnete und Reichsrat Franz Wickhoff, hiesiger Kaufmann, mit 379 von 567 Stimmen gewählt wurde. Am 26. und 30. September pas¬ sierten hier per Bahn mehrere Hun¬ dert türkische Gefangene und Insurgenten aus Bosnien durch zum Kastell am Pöstlingberg. Am 4. Oktober passierten wieder 422 gefangene türkische Solda¬ ten per Bahn durch nach Linz. Am 15. Oktober wurde das Resul¬ tat der zum Baue eines Armen¬ hauses im März eingeleitete Samm¬ lung unter der Leitung Ludwig Werndls an die Stadtkasse abgeführt mit 5500 fl. Staats=Obligationen und einer Barschaft mit 10.694 fl. 48 kr. Am 29. Oktober ist Karoline Werndl, Gemahlin des Waffenfabriks¬ Generaldirektors Josef Werndl in Sankt Veit nächst Wien gestorben und am 31. Oktober fand dann hier der gro߬ artige Leichenkondukt statt. Am 5. November ging der Rück¬ transport von über 700 türkischen Kriegsgefangenen nach Triest hier durch. Die Waffenfabrik bezahlte im Jahre 1878 als 60°ige Gemeindeum¬ lage 36.291 fl. Am Jahresschlusse 1878 wurden von den Schuldkapitalien der Stadtkommune 16.000 fl. zurückbezahlt. 1879. Die äußeren politischen Ver¬ hältnisse sind geordnet und friedlich, aber desto trostloser ist der Antogonis¬ mus der verschiedenen Völkerrassen im Inneren unserer Reichshälfte und die seit dem Freihandel und Börsenkrach anno 1873 noch immer dauernde gewerb¬ liche Geschäftsstockung. Jedoch hat das schon über 30 Jahre bestandene traurige Silberagio nun doch ein¬ mal sein Ende erreicht und es zirkulieren bereits viele neue Silberguldenstücke. Bei der Waffenfabrik sollen, an¬ fangs Jänner, wegen Mangel an neuen 51 größeren Bestellungen die Arbeiter bis auf 1200 nach und nach entlassen werden. Im März wurden bei den Ge¬ meinderatswahlen die ausgeschie¬ denen Gemeinderäte wieder gewählt und haben sich die klerikalen Wähler größten¬ teils der Wahl ganz enthalten. Am 1. April hat Generaldirektor Josef Werndl seine im Jahre 1877 bis unter Dach erbaute, großartige, aber seither als unausgebaute leere Ruine gestandene Villa der Stadtgemeinde neuerdings zu einem Armenhause um 52.000 fl. zum Kaufe angeboten, welcher Antrag aber natürlich wieder dankend abgelehnt werden mußte. Am 23., 24. und 25. April wurden wegen der Feier der Silbernen Hochzeit Seiner Majestät des Kai¬ sers Franz Josef I. auch in Steyr große Festlichkeiten abgehalten. In Wien fand der große, vom Maler Makart veranstaltete Festzug statt, der seinesgleichen nicht hatte. Am 29. Mai starb Bürgermeister Moriz Crammer. Am 8. Juni fand die Bürger¬ meister wahl statt, welche einstimmig auf den Vizebürgermeister und Kaufmann Gustav Gschaider, *) fiel, welcher aber diese ehrenvolle Stelle aus Gesund¬ heitsrücksichten ausschlug, daher am 16. eine neue Wahl vorgenommen wurde, welche einstimmig Georg Pointner traf. Gegen Ende Juni großartige Hetze wegen der Reichsratswahl, welche am 30. Juni stattfand, und ungeachtet der heftigsten klerikalen Hetze, welche so¬ gar der Linzer Bischof am 29., bei Ge¬ legenheit der Firmung bekräftigte, doch mit einer Majorität von 115 Stimmen wieder auf den bisherigen Reichsrat Franz Wickhoff fiel, welcher in Steyr 451, auswärts 205, zusammen 656 Stim¬ men gegen den hiesigen Gasthauspächter Josef Peyrl mit 542 Stimmen. *) Dater unseres jetzigen Bürgermeisters. 7*

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2