50 Am 17. März wurde der letzte protestantische Gottesdienst im Rat¬ haussale abgehalten. Bei den am 15., 18. und 20. März stattgefundenen Gemeinderatswah¬ len von ein Drittel der Mitglieder wurden 4 der klerikalen Partei ange¬ hörige gewählt, so daß deren 6 bis 8 im Gemeinderate sitzen werden. Bei der Waffenfabrik wurden wegen Mangels größerer auswärtiger Bestel¬ lungen 1500 Arbeiter entlassen und bleiben nun nur noch 2400. Generaldirektor Werndl hat nach vielseitiger Bestürmung am 5. wieder die Kündigung des Bahnbetriebsdirekti¬ onsgebäudes zurückgezogen. Wegen beanständeter Gemein¬ deratswahl des Bräuers Karl von Jäger (klerikal) hat am 29. April eine Nachwahl stattgefunden, wo derselbe mit großer Majorität wieder gewählt wurde. Am Palmsonntag, den 14. April war der erste protestantische Pfarrgottesdienst in dem zum Bethause angekauften Angelhause 334 am Schnallenberge. Generaldirektor Josef Werndl hat der Stadtgemeinde sein im Jahre 1872 erbautes Bahndirektionsge bäu¬ de wiederholt zum Ankaufe um 140.000 fl. angetragen, wofür ihm nun der Gemeinderat mit Beschluß vom 9. Mai nur ein Anbot von 80.000 fl. gemacht hat, welches aber von demselben abgelehnt wurde. Weiters hat Werndl dem Bürgermeister 1000 fl. zu dem an¬ geblichen Zwecke gesendet, daß mit die¬ sem Reisegelde die Gemeinderäte der Armensektion und die Redakteure der hiesigen 2 Zeitungen nach Genua in Ita¬ talien reisen und dort das großartige Armenversorgungshaus besichtigen sollen, auf welche sonderbare und jedenfalls sehr unpraktische Idee aber natürlich der Gemeinderat nicht einging und wozu nur die 2 Redakteure Lust zeigten, um eine schöne Reise ohne Kosten machen zu kön¬ nen; daher sonach das Reisegeld an Werndl wieder zurückgestellt wurde. Die von dem Komitee, an dessen Spitze Ludwig Werndl, Messerfabriks¬ inhaber, steht, für den Armenhaus¬ bau vorgenommene Sammlung freiwilliger Beiträge soll wirk¬ lich über 30.000 fl. einbringen und da¬ rüber ein Stiftbrief errichtet werden. Bei der Waffenfabrik wurden noch weitere 800 Arbeiter entlassen und dem ungeachtet erbaut dieselbe auf dem unteren Teile der Vogelsanginsel wieder 20 neue Häuser mit oberen Stockwerken, dann gegenüber anstatt der Schießstätte einen großen Biersalon und endlich der Fleischhauer Anton Kammerhofer auf der unteren Spitze der Vogelsanginsel ein hübsches Haus, wo er eine Schlachtbank und Traitterie errichtet. Im Biersalon soll 1 Liter gutes Lagerbier um den Spottpreis von 12 kr. geschänkt werden. Wäre nun die¬ ser löbliche Anlauf im Jahre 1873 und 1874, wo bei der doppelten Arbeiter¬ zahl eine große Wohnungsnot und Le¬ bensmittelteuerung herrschte, genommen worden, so wäre gewiß die Wirkung eine sehr wohltätige gewesen, aber jetzt ruiniert selber nur die vielen entstande¬ nen Schänken und schädigt auch die alten Hausbesitzer. Vom 23. bis 30. Mai fand der erste Jahrmarkt mit 130 Ständen und 14 Spektakelprodultionen auf dem gepachteten Seidl=Felde an der Bahn¬ hofstraße statt und lieferte einen Ge¬ fällsertrag von 243 fl. Am 29. Juli war der Einmarsch der österreichischen Armee in Bosnien und der Herzegowina. Am 31. August war der Silber¬ kurs al pari. Notenrente 61. Am 31. August und 1. Septem¬ ber passierten 3 lange Munitions¬ wagen=Trains hier durch, nach Bos¬ nien. Am 11. September hier sehr kri¬ tische Landtagswahl, wobei nach heftiger klerikaler Agitation, besonders von seite des geistlichen Redakteurs der „Steyrer Zeitung" und Drohungen von
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