114 In diesem Moment kam der Postbote brachte einen schwarzumränderten und Brief. Die Frau Professor erschrack und öff¬ nete ihn gleich. „Ach, nur Professor Wel¬ ter in Leipzig!“ Dann trat sie ins Zimmer und sagte: „Eine Trauernachricht, Professor Welter in Leipzig ist gestorben!“ „Ach Welter!“ rief der Professor, in¬ dem er den schwarzgeränderten Brief in die Hand nahm. „Vor langen Jahren war er ein Studiengenosse von mir! Denkt der auch wieder einmal an mich!“ Die drei Damen sahen sich mit ku¬ riosen Gesichtern an bei dieser eigenar¬ tigen Beileidsbezeugung, sagten aber nichts. Während sie sich über andere Dinge unterhielten, kehrte das Mädchen zurück. „Gnädige Frau,“ sagte sie, „in der Buch¬ handlung sagten sie, sie wüßten nichts von einer Flasche Otteklonj!“ „Das ist ja gar nicht möglich!“ rief der Professor aufgeregt, denn hier galt es den Ehrenpunkt: er und etwas ver¬ gessen! „Sie sind gar nicht in der Buch¬ handlung gewesen!“ rief er mit einem bei ihm seltenen Ausbruch des Zornes. Das Mädchen stotterte schüchtern: Doch, Herr Professor!“ „Nein, das glaube ich nicht!“ rief der Professor. „Da will ich gleich selbst einmal hingehen!“ Er eilte auf die Flur, nahm seinen Hut und ging zur Buch¬ handlung, wo er die Broschüre gekauft hatte. „Ach bitte, ich wollte nur etwas fragen,“ sagte er, „ist mein Dienstmädchen eben hier gewesen?“ „Nein, Herr Professor, sie war nicht da!“ lautete die Antwort beider Ver¬ käufer. „So, danke, das dachte ich mir!“ sagte der Professor und empfahl sich. An seine Flasche Kölnisches Wasser, die zwi¬ schen den zwei Bücherstößen stand, dachte er selbstverständlich mit keiner Ahnung eines Gedankens. Im Zorn des gerechten Nichters eilte der Professor nach Hause. „Sehen Sie,“ er, „Sie sind doch nicht dagewesen!“ rief Das Mädchen hatte indessen der Frau Professor gegenüber ihre Schuld¬ losigkeit ins hellste Licht gestellt und blieb jetzt nun mit bescheidener, aber hart¬ näckiger Konsequenz dabei, sie sei doch in der Buchhandlung gewesen. Um dem Hin= und Herstreiten ein Ende zu machen, und vor allem, um den ihm rätselhaften Fall aufzuklären, befahl der Professor dem Mädchen, mit ihm zur Buchhandlung zu gehen. Er ging auf der Straße, um nicht aufzufallen, mehrere Schritt vor ihr her. An der Tür der Köppelschen Buch¬ handlung wartete er auf sie. „Ja, Herr Professor!“ rief sie, „hier bin ich nicht gewesen. Die Frau Professor sagte mir, ich sollte in die Marnetsche Buchhandlung gehen!“ „Ach sooo! Na, dann ist's ja gut, dann können wir nach Hause gehen!“ Das Mädchen eilte voran, und der Professor folgte. „Ach, so ist die Sache!“ rief seine Gattin. „Nun gut! Wo hast Du denn die Flasche?“ „O Himmel, die hab' ich ja ganz vergessen!“ rief der Professor. „Aber nun ruhe ich nicht, jetzt hole ich sie ganz bestimmt!“ Zum dritten Male lief er nun nach der Köppelschen Buchhandlung. Dort be¬ kam er auch die Flasche, und stolz hielt er sie in der Hand. Unterwegs begegnete er einem Be¬ kannten. In seiner Freude rief er ihn an: „Es freut mich, Sie einmal wieder¬ zusehen! Wie geht es denn Ihrer Frau Gemahlin?“ „Bedaure sehr, Herr Professor, aber ich bin ja gar nicht verheiratet!“ „Ach richtig,“ entschuldigte sich der Gelehrte. „Ich vergaß ganz — da ist Ihre Frau Gemahlin freilich noch ledig!“ Als der Professor mit der rechten Hand die Haustür öffnete, grüßte ihn
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