Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1919

111 andern hoffte sie, zur Mutter hinein Aber der Vater hielt sie zurück. zu dürfen. Nein, sie dürfe nicht zur Mutter, jede Aufregung könnte den Tod bringen. Sie Endlich war es auch so weit. solle sich ganz ruhig verhalten und nach „Aber ich will allein gehen,“ bat der Wirtschaft sehen, damit alles zur sie den Vater, „laß mich einmal mit Zeit da wäre. ihr allein — Käte ging weinend und küm¬ Er lächelte und ließ ihr den Willen. merte sich um die Wirtschaft so gut sie Da ging sie leise zur Tür hinein. konnte. Sie ging auch zu dem kleinen Die Mutter lag noch blaß und matt Brüderchen hinein, das als ein krebs¬ in den Kissen, aber sie lächelte ihr ein rotes Etwas in den Kissen weinte, sie wenig zu und sagte: „Komm' nur, lauschte auch an der Tür des Zimmers, Kätchen, ich habe schon so lange auf in dem die Mutter schwer krank lag. dich gewartet —“ In der Nacht fand Käte keinen Da stürzte das Kind am Bett nie¬ Schlaf. Sie schlich im dünnen Nachthemd der und küßte die Hände der Kranken nach der Mutter Tür, kniete auf der funter heißen Tränen. Und was sie auch Schwelle nieder und betete heiß und alles an schönen Worten draußen ge¬ heftig in kindlichem Wirrwarr zu Gott wußt hatte, brachte sie jetzt keines da¬ empor. Er möge die Mutter doch auf von über die Lippen und sagte nur Erden lassen, sie wäre doch das Glück leise: des Hauses und der Vater könne nicht — 7 „Mutter, meine liebe Mutter ohne sie leben. Der liebe Gott möge Aber es war auch genug, und die doch sie, die Käte, dafür nehmen, ihr Mutter wußte alles, was sie sagen Leben hätte doch keine Bedeutung und wollte und was sie gelitten hatte. Und es täte niemand weh, wenn sie ginge. sie strich leise über das braune Haar So betete sie immerfort aus ihrem und sagte: törichten Kinderherzen heraus, bis sie „Mein liebes Kind, jetzt darfst du stocksteif gefroren und ihrer Sinne nicht 77 nie mehr von mir gehen mehr mächtig war. Ein Glück, daß der Etwas Schöneres hätte sie Käte Vater herauskam und sie ins warme nicht sagen können, und beide blickten — Bett zurücktrug sich an und sahen in kommende Tage, Das Wunder geschah, die Mutter die herzensfroh voll Licht und Sonne genas. Kätes Augen leuchteten, sie ging leuchteten — wie auf Federn, von einem Tag zum □ Das Lied vom Tannenbaume. Und lispelnd könt mir wieder, Das Lied vom Tannenbaume, Was sprach der Mutter Mund Das alte, traute Lied, Da senkt sich ein Strahl hernieder Durchzittert vom Jugendtraume, In meiner Seele Grund. In meine Seele zieht. Ein Strahl von Augensternen, Die längst der Tod mir schloß: Sie leuchten aus Himmelsfernen In Liebe, rein und groß ... Aus dem Werke „Seelenklänge“ von Franz Josef Zlatnik. Da

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