104 im engsten Familienkreise der weihevolle Abend. Weihnachtsgeschenke in unserem heutigen Sinne gab es damals noch nicht; jeder Geselle und jeder Lehrbub erhielt einen Laib Kletzenbrot. An die¬ sem Abend kamen auch die „Stern¬ singer“ die mit ihren alten Liedern die frohe Gesellschaft erbauten und dann mit allerlei Gaben beschenkt, zu einer anderen Familie wanderten. Doch schon läuten feierlich die Glocken zur „Pumpermetten“ der Mei¬ ster und die Meisterin geben das Zei¬ chen zum Aufbruch und nun wandert alles hinaus in die klingende, helle Winternacht um mit vielen anderen ver¬ eint zur „Mette“ zu eilen. Auch die Stationen des menschlichen Lebens, Taufe, Hochzeit und Begräbnis fanden in Sitte und Brauch der Zünft¬ ler ihren Ausdruck. War in der Familie des Meisters Taufe, so wurde genügend Trunk in die Weristätte gebracht, besonders wenn es ein Knabe war. Auch wurde an sol¬ ge¬ chen Tagen früher. „Feierabend“ macht. Besonders feierlich ging es bei Hoch¬ zeiten her. Die ganze Werkstätte war wie ausgestorben, nur ein Mädchen blieb an einem solchen „Huatertage“ zuhause, um das „Haus zu hüten“. Abends gab es in dem Gasthause, wo die Hochzeit gefeiert wurde, frohes Leben bei Tanz und Musik. Es wurde mit Vorliebe „Neubairisch“ und „Landler“ getanzt. Da sah man noch die prächtigen Gold¬ hauben, Schäfer= und Florentinerhüte, vor allem aber schwere Kopftücher aus schwarzer Seide. Die Bürgerstöchter tru¬ gen schwere goldene Halsspangen, sog. „Kropfhalter“ mit vielen Strängen und gewichtige, lange Ohrgehänge. Die Mes serer trugen im Sommer vorwiegend Kleider aus „Satin Cloth“ im Winter aus festem Loden. Bei der Arbeit banden die Meister einen grünwollenen Schurz über die Kleider, die Gesellen trugen das sog. „Schermfell“ aus Kalb¬ leder sehr beliebt waren weiche Leinen¬ hemden mit färbigen seidenen Hals¬ tüchern. Auch bei einem Todesfall hat in der Werlstätte alles gefriert. Beim Be¬ gräbnis gingen alle mit, die Gesellen im schwarzen Anzug gehörten zu den Trauerleuten, die Meister hatten eigene mit vielen Borten verbrämte Kleider für solche feierliche Anlässe. Im Trauer¬ zug sangen die Kirchensänger unter Be¬ gleitung dreier Zugposaunen das sog. „Miserere“. Vier oder sechs Männer tru¬ gen das sog. Bahrtuch, ein langes, wei¬ ßes Tuch, welches vorne und rückwärts vom Sarge herabhing. Regelmäßige Be¬ gleiter bei jeder Leiche waren der „Menharden“ Hiasl, der ganz allein hintennach ging und laut betete, häufig auch der „Hafner“ Karl, der sich sogar immer unter die Trauerleute mengte. — Ein sonniger Herbsttag des Jahres 1862 war's. Da kam die behäbige Frau Eigruber, die Besitzerin der größten Klingschmiederei Steyrs, die im Wie¬ serfeld mit 20 Gesellen ihre Tätigkeit ausübte, aus Berndorf zurück, wo sie mit Krupp wegen einer neuen Bestel¬ lung verhandelt hatte. Mit bekümmerter Miene und mit allen Anzeichen höch¬ ster Aufregung betrat sie die traute alte Weristätte, die den Ruf ihres Hau¬ ses und ihrer Waren in der weiten Welt begründet hatte — und erzählte, daß Krupp in Berndorf, für den sie viele Jahre geliefert hatte, zum ersten¬ male seine Ware aus einer Fabrik be¬ zogen hätte! Aus einer Fabrik! Etwas bis dahin Ungeahntes und Unerhörtes! Und als ahnten die wackeren Gesellen das Kommende, Entsetzliche, legten sie schweigend ihre Hämmer nieder und ver¬ nahmen von ihrer geliebten Herrin und Meisterin die Kündigung, die die stolze Bürgersfrau kaum über die Lippen brachte. Und dann ging es Schlag auf Schlag! Ludwig Werndl errichtete die
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