Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

durchschauert, „er — er ist da — er kommt, mich zu holen!“ Die alte Frau taumelte empor. „Heiliger Gott — sein Geist!“ Die unheimliche Erscheinung kam näher, breitete die Arme aus. „Mein Gott, das wollte ich nicht, Euch so er¬ schrecken. Habt Ihr mich wirklich für tot gehalten?“ „Aber Sie sind doch begraben,“ stammelte Frau Stürmer, vor Grauen einer Ohnmacht nahe. Paulas zitternde Hände glitten über seine Arme, seine Brust. Es war Fleisch und Blut, was sie fühlte. „Albert — Du lebst!“ schluchzte sie unter Freudentränen und sank an seinen Hals In seligem Glücke preßte er das ge¬ liebte Mädchen an sich. „Ja, ja, ein Bekannter, den ich am Bahnhof traf, wollte es auch nicht glau¬ ben. Von ihm erfuhr ich alles, das ganze törichte Gerede.“ „Aber wie ist denn das Wunder möglich?“ stammelte Paula unter Trän¬ nen, „ein Unteroffizier vom Regiment Prinzessin hat Dich doch fallen sehen.“ „Eine Gasbombe betäubte mich. Als ich erwachte, befand ich mich in franzö¬ sischer Gefangenschaft. Nur ein Streif¬ schuß hatte mich leicht am Halse verletzt Ersticktes Segnen. Ein kurzes Röcheln — und du fandest Frieden, Nach schlummerlosem Leiden, tief und schwer; Welch' grausam jähes Trennen, tröstungleer: Du bist mir ohne Segen hingeschieden! Doch nein, was immer mochte dir begegnen, Du hast nach Mutterherzens hehrem Brauch Gesegnet mich mit jedem Lebenshauch Dein Todesröcheln war ersticktes Segnen.. Franz Josef Zlatnik. 381 und die Schnur zerrissen, an der meine Erkennungsmarke hing. Ein Kamerad mag sie gefunden und an sich genommen haben.“ „Und den hat man statt Ihrer be¬ graben?“ rief Frau Stürmer, plötzlich begreifend. „Wohl möglich,“ nickte Albert. „Der Arme war nicht so glücklich wie ich, dem es gelang, vor wenigen Tagen aus der Gefangenschaft zu entfliehen und wohl¬ behalten die Grenze zu erreichen. Mein erster Weg, hier angekommen, hat natür¬ lich Dir, meine Paula, gegolten. „Hättest Du nicht zuvor zu Deinem Vater gehen sollen?“ meinte das Mäd¬ chen zärtlich anschmiegend. „Sprich nicht von ihm,“ wandte Al¬ bert sich finster ab. „Du tust ihm Unrecht. Dein ver¬ meintlicher Tod hat eine Brücke zu seinem Herzen geschlagen.“ Mit fliegenden Wor¬ ten erzählte sie, was sie auf dem Fried¬ hof erlebt. „Du darfst nicht zürnen, wo ich verziehen habe.“ Leuchtende Freude erhellte das Ge¬ sicht des Heimgekehrten. „Dann, Paula, wollen wir zu ihm, heute noch. Er nimmt uns beide auf, oder keinen. Aber ich glaube, die Stunde ist gekommen, da wir hoffend vor ihn treten dürfen. Abendstimmung. Welch' gold'ner Schimmer auf dem stillen Land Ein seltsam Fühlen will mich da bewegen Mir ist, als säh' ich einer Mutter Hand Auf ihres Kindes Stirne mild sich legen. Die Abendglocke ladet zum Gebet: Und wie die Töne weich herüberklingen, Will mir ein Hauch, der fernher zitternd weht, Der Mutter leise Segensworte bringen.. Franz Josef Zlatnik.

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