Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

auf den Beinen, da wird Ihnen so ein bißchen Hohlweg keine Schwierigkeiten machen, denke ich. — Für unsereinen frei¬ lich ist das jetzt —“ Ulrich Günther brach ab, er voll¬ endete den Satz nicht. „Und sie, Herr Oberleutnant,“ fiel rasch Lore Berghaus ein, „wo wohnen Sie eigentlich? Doch wieder bei „Meichs¬ ner“ wie früher, wie? Da müßten Sie doch eigentlich auch gleich mit uns herunter nach der Wiese.“ „Nein, Fräulein Lore, Leutnant Rü¬ bezahl ist inzwischen ein Einsiedler ge¬ worden; mir ist bei „Meichsner“ zuviel Trubel, ich will keine bekannten Gesichter sehen, das erinnert mich zu sehr an früher. Sie wissen schon, an damals, wo wir zwei hier oben mit unsern Freunden und Be¬ kannten so manche lustige Stunde ver¬ bracht haben.“ „Also, da ist es Ihnen wohl auch unangenehm, daß Sie uns heute hier getroffen haben? Das heißt demnach mit andern Worten, Sie wollen gar keine Ge¬ ellschaft! Ich werde mich mit meiner Freundin schleunigst drücken. Sehen Sie, jetzt sind wir auch schon am Scheideweg, Sie werden wohl weiter auf der Höhe spazieren gehen wollen, und wir zwei Menschenkinder machen inzwischen die kleine Gletscherpartie durch den Hohlweg in den Ort hinunter.“ „So war es nicht gemeint, Fräulein Lore, Sie haben mich mißverstanden. Ich muß mein Bein schonen und darf keine weiten Wege machen. Ich wohne hier oben auf der Höhe, um es bequemer zu haben. O, glauben Sie, ich würde Sie gern hinunter begleiten, wenn Sie nicht gerade jetzt diesen gräßlichen Weg gehen würden. Wir könnten durch die „Hohl¬ leite“ nach dem Tal hinabgehen, aber da müßten Sie einen ziemlichen Umweg 77 von hier aus machen und — ich denke Lachend fiel das junge Mädchen ein: „Nein, nur keinen Umweg, nicht wahr, Martha, das ist auch Deine Mei¬ nung. Wir haben nämlich beide einen fürchterlichen Kaffeedurst.“ 373 „Denken Sie, ich etwa nicht?“ er¬ widerte lachend der Offizier. „Das ist ja wundervoll. Zwei Seelen und ein Gedanke. Jetzt kommen Sie mit uns. Ich garantiere Ihnen, daß Sie, von uns beiden gestützt, trotz Ihres bösen Beines glatt über alle Fährnisse und Schrecknisse dieses bißchen Hohlweges hin¬ wegkommen werden. Sie müssen sich auf meinen Arm stützen, meine Freundin führt Sie an der andern Seite, und, passen Sie auf, Sie werden heil und wohlbehalten unten ankommen, genau so, als wenn Sie mit Ihren Soldaten auf den Schnee¬ her¬ schuhen vom „großen Belchen“ unterklettern.“ Ueber Ulrichs Gesicht flog ein freu¬ diger Schein. „Wirklich — Sie wollen es versuchen, mich zu führen Wenige Minuten später konnte sich der Leutnant davon überzeugen, daß es den beiden jungen Mädchen mit ihrer Absicht heiliger Ernst war, und fest ge¬ stützt auf deren starke Arme, fühlte er sich, beinahe wie getragen, nur zu bald wohlbehalten unten angelangt. Er wun¬ derte sich jetzt selber, wie schnell das alles gegangen war. Aufatmend und mit erhitztem Ge¬ sicht stand Lore Berghaus neben ihm, um sich ein Weilchen zu verschnaufen. Die Freundin blieb zurück, allem Anschein nach war etwas an ihren Skis beim Abstieg in Unordnung geraten. Nach einem Weilchen schritten Ulrich und Lore weiter. Ein seliges Glücksge¬ fühl stieg jetzt in dem Offizier auf. Mit einer hastigen Bewegung faßte er nach der einen Hand seiner Begleiterin. Erregt stammelte er: „Mein gnädiges Fräulein — wie ja — wie soll ich — wie soll ich Dir dafür danken, Lore — meine — meine liebe Lore — Hast Du — oft an mich gedacht, Du —?“ „Immer, mein lieber Ulrich, glaube mir, immer.“ *) Berg in den Dogesen.

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