gelegentlich eines Schneeschuhwettlaufs nach Schreiberhau kam, erlebte sie eine große Ueberraschung. „Leutnant Rübe¬ zahl“ hatte einen kurzen Urlaub bekom¬ men und verbrachte diesen rodelnder¬ und schneeschuhlaufenderweise in seinem geliebten Schreiberhau. Sie verlebten ein paar fröhliche Tage zusammen, dann mußte Günther wieder nach den Vo¬ gesen zurückfahren. Vier Wochen später las Lore Berghaus in der Zeitung, daß Oberleutnant Günther nicht unerheblich verwundet worden war. Bald daruf er¬ fuhr sie durch einen seiner Kameraden, der ihr auch Grüße überbrachte, daß Günther schwer verwundet in einem La¬ zarett in der Pfalz lag. Er hatte eine Schneeschuhpatrouille durch seine glän¬ zende Führung vor der Gefangennahme durch eine feindliche Schar mit Hintan setzung seines eigenen Lebens bewahrt. war aber dabei durch einen Schuß in den Unterschenkel schwer verwundet worden, und unter unsäglichen Mühsalen hatten ihn seine Leute nach dem Verbandsplatz geschleppt. Nur langsam genas der Ver¬ wundete, sein Bein blieb steif, und seine weitere Verwendung als Frontoffizier war völlig ausgeschlossen. Ulrich wurde vorläufig aus dem Heeresdienst entlassen und nahm einen längeren Erholungsauf¬ enthalt in einem in der Nähe von Schrei¬ berhau gelegenen kleinen Ort, in dem er sich verstecken wollte vor allen denen, die ihn von früher her hier oben kannten, als er noch der lebenslustige Jägerleut¬ nant war, der kühne Sportsmensch, der verwegene Schneeschuhläufer, der „Leut¬ nant Rübezahl“. Alles das war nun für immer vor¬ bei, er würde ein Krüppel bleiben, ein einsamer, verlassener Mann, dem es nie¬ mals mehr vergönnt sein würde, mit den Skis über den mächtigen Sprunghügel da unten auf der Planwiese zu sausen. Daran hatte vorhin Ulrich Günther * * denken müssen, als er nachdenklich mit seinem steifen Beine langsam seines Weges einherschritt ... Immer und im¬ mer war er stehen geblieben, um 371 mit das zauberhaft schöne Winterbild an den verschneiten Riesengebirgstannen Eis¬ deren Zweige Myriaden glitzernder kristale hingen, zu bewundern ... Die Winter im Riesengebirge ... Schönheit der Natur, dieser von ihm so heiß geliebten Berge, ließ ihn sein eigenes Mißgeschick vergessen. Und nun stand mit einem Male diejenige leibhaftig vor ihm mit der er so viele Erinnerungen an fröh¬ liche, von frischem Wintersport erfüllte Tage hier oben gemeinsam hatte Lore Berghaus, seine heißgeliebte Lore. Herr Oberleut — Ulrich „Herr — Sie — jetzt hier?“ „Wie sie sehen, gnädiges Fräulein, „Leutnant Rübezahl“ in höchsteigener Person, mit unbegrenztem Urlaub. Lore Berghaus war dunkelrot ge¬ worden, als sie jetzt in wirklicher Er¬ griffenheit dem jungen Offizier ihre Rechte zum Gruße hinstreckte, während ihr Blick verlegen, wenn auch nur flüchtig, an seinem steifen Beine haften geblieben war. Schnell lenkte sie ab, indem sie ihre Freundin vorstellte. „Meine Freundin — Fräulein Mar¬ tha Krüger aus Hamburg.“ Ulrich sagte ein paar liebenswürdige Worte. Mehr konnte er nicht sprechen. Er hatte das Gefühl, als ob seine Ver¬ wundung bei Lore Berghaus ein tiefes, schmerzliches Bedauern ausgelöst hatte, ja vielleicht sogar ein gewisses Erschrecken, so daß das Mädchen selbst innerlich be¬ stürzt war und keine rechte Unterhaltung aufkommen konnte. Eine ganze Weile gingen die drei langsam stumm nebenein¬ ander her, Lore machte sich an den Rie¬ men des Schneeschuhs zu schaffen. End¬ lich brach Ulrich das Schweigen. „Die Damen wollten nach Mittel¬ schreiberhau, wenn ich vorhin recht ge¬ — hört habe da nehmen sie am besten gleich da drüben den Weg, der rechts abwärts geht — allerdings wird er jetzt nach dem Frost der letzten Nächte nicht ganz ungefährlich sein — böses Glatt¬ eis! Doch — die Damen sindja fest 24*
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