Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

fangen. Im unterirdischen Gelasse bei müden Fackelschein fanden die Verhöre statt. Hans Adam Pfefferl, der „hoch¬ landesfürstlichen Stadt Steyer“ Stadt¬ richter und seine Beisitzer wurden ver¬ ständigt, welche in kurzer Zeit erschienen, um die Sünderin zu verhören. Neu¬ gierige umlagerten das Haus, so daß die Landsknechte große Mühe hatten dem Stadtgericht den Zutritt zu ermög¬ lichen. Diese suchten den Platz zu räumen, doch ihr Bemühen war vergebens, denn gleich dem Wasser, das an seinen Platz rückkehrt, drängte sich die Menge neuer¬ lich vor's Gerichtsgebäude. Inzwischen flackerten im tiefen Ge¬ schoß unruhig die Windlichter, welche sich unter dem hartherzigen Gericht kaum auf¬ zuflackern wagten. Auf erhöhtem Stuhl saß der Stadtrichter und vor ihm lag als Zeichen seiner Würde und Befugnis das prächtige, reich mit Silber beschlagene Stadtrichterschwert, umgeben von den Beirichtern in langen, schwarzen zobel¬ verbräunten Mänteln. Grausam hoben sich vor ihnen die Folterwerkzeuge ab, von denen die Streckbank gespensterhaft be¬ leuchtet war, auf welcher Stricke und Gurten zur „strengen Frage“ bereit lagen. Auf dem Tisch des Stadtrichters stand das Kruzifix und zwei brennende Kerzen. Bei der Streckbank stand in schar¬ lachrotem Wams ein Henker, welcher Stricke in seinen Gürtel trug und in einem mattbeleuchteten Winkel harrten seine Knechte der Winke der Richter. Sie trafen mit geschäftiger Hand und gleich¬ gültiger Miene die letzten Vorbereitungen zur „strengen Frage“, wie sie die Tor¬ tur nannten. Einer probierte die Dau¬ menschraube, ob selbe funktioniere, ein anderer zog an die Welle Stricke, damit ungesäumt die Arbeit vor sich gehe. Der Stadtrichter erhob sich gleich den Bei¬ sitzern und gab das Zeichen, die Ver¬ brecherin vorzuführen. Die kleine, massive, mit verrosteten Eisenplatten beschlagene Seitentür öffnete sich und gebunden wurde Apollonia Schreinhueber herein¬ geführt, das Haar gelöst, die Züge ver¬ 355 zerrt. Die Henker übernahmen sie aus der Führung der Landsknechte und schleppten sie vor den Sitz des Stadt¬ richters, welcher sie um Namen, Geburt und Lebensweise frug. Auf die Frage, ob sie das Kind getötet habe, gab sie keine Antwort, worauf einer der Henker an sie herantrat, während der andere die Stricke löste und die Daumenschraube ansetzte. Der Richter ermahnte sie, Ant¬ wort zu geben. Doch sie beteuerte, den Mord nicht begangen zu haben. Immer mehr zog sich das Eisen in die Daumen. Das Mädchen stöhnte vor Schmerz und der Daumen war bereits tiefblau. Noch immer bekannte es nicht die Schuld. Der Stadtrichter gab den Befehl die Ange¬ klagte auf die Streckbank zu legen. Im Nu hatten die Henker das Mädchen auf diese geworfen, Stricke um Hände und Füße gebunden und bald war der Körper straff gespannt. Nochmals ermahnte sie der Richter zu bekennen. Doch das Mäd¬ chen blieb stumm, obgleich ihr der Schmerz Tränen erpreßte. Die Henker zogen die Welle stetig an, so daß die Schreinhueber ohnmächtig wurde, wes¬ halb Pfefferl befahl, die Winden nachzu¬ lassen und sie in den Kerker zu bringen, damit sie sich erhole und das Verhör fortgesetzt werden könne. Bald erwachte sie aus der Ohnmacht, weshalb der Richter befahl sie zu „pindten“ und „auf¬ zuziehen“. Schnell waren die Hände auf den Rücken gebunden, der Strick vom modrigen Gewölbe herabgelassen und mit den Händen verbunden, so daß sie lang¬ sam in die Höhe gezogen werden konnte. Bald stand sie auf den Zehenspitzen und eine Umdrehung an der Welle genügte, um sie freischwebend zu hängen. Der Richter ermahnte sie endlich Wahrheit zu bekennen und stellte ihr vor, daß ein Leugnen nichts helfe, da alle Beweise ihrer Schuld geschlossen sind. Die Henker hängten an die Füße schwere, eisenbe¬ ringte Steine, indes einer die Welle wand, so daß der Körper stramm war. Dem Wimmern folgten Schmerzensrufe. „Ich will alles, alles gestehen, schrie 23*

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