Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

312 die Geschütze — im selben Augenblick tauchte das U=Boot. Einige Minuten atemloser Spannung! Da! Ein heller Streifen huschte durch die Flut. Der Offizier auf der Brücke sprang in das Ruderhaus, die Massuchusettes flog herum — zu spät! Ein Stoß traf das Schiff, es stand in seinem Lauf wie gelähmt und wälzte ich dann wie ein gestürztes Pferd, Eine helle Flammengarbe, ein furcht¬ barer Knall: Heinz flog halb betäubt unter die Rettungsboote. Ein zweiter Schlag! Dann Stille. Langsam neigte sich der Bug des mächtigen Dampfers, über das Vorschiff flutete die See. Gel¬ lende Pfeifen, brüllende Menschenstim¬ men setzten ein, wie jetzt erst erwachend aus der Erstarung. Heinz half die Boote klar machen, saß selbst in einem solchen, schwebte in diesem aus der Davits herab. In seinem Boot saß der alte Engländer, zusammen¬ gekauert wie ein Bündel Unglück; im Bug lag halb ohnmächtig die rotblonde Irin. Nur einige Heizer und Trimmer hatten sich in seinem Boot als Beman¬ nung zusammengefunden, des Ruderns wie Steuerns völlig unkundig. Es war selbstverständlich, daß Heinz die Führung übernahm. Fort von dem sinkenden Schiff! Ruhig, selbstsicher klangen seine Kom¬ mandos. „Ich zahle Ihnen 5 Pfund, junger Mann, wenn Sie mich glücklich landen, krächzte der alte Engländer. Heinz maß ihn mit einem Blicke des Hasses. Diesen Mann, der sich als unerbittlicher Todfeind bekannt, sollte er retten? Der verdiente alles andere. In seiner Hand lag's: Es war eine Kleinigkeit für ihn, das Boot in dem Wellenstrudel kentern zu lassen. Nein! Ein deutscher Seemann tat das nicht. Seine Waffen gegen Wehrlose richten. mochte den Engländern vorbehalten bleiben. Mit aller Kraft seines Körpers legte sich Heinz in die Riemen, spornte seine Leute, ein Gleiches zu tun. Das Boot schoß durch die Flut. Da bäumte die Massachusettes mit dem Heck kerzengerade auf und ver¬ schwand kopfüber in den Fluten. Das Meer war bedeckt mit eilig forthasten¬ den Booten und Trümmern. Ein Boot unweit von ihnen kenterte. Köpfe tau¬ chen im Wasser auf, eine bleiche Hand klammert sich an ihren Bootsrand. Wie ein Panther fuhr der alte Eng¬ länder auf. „Wir kentern ja selbst!“ schrie er, ergriff einen Bootshaken und schlug mitleidslos auf die Hand, den Kopf des Unglücklichen. Lautlos ver¬ schwand dieser in den Fluten. Die junge Irin schrie auf, Heinz graute vor die¬ em alten Teufel. „Schuft!“ knirschte er zwischen den Zähnen. Da tauchte das U=Boot wieder auf. Die Boote mußten sich sammeln, der deutsche U=Kreuzer nahm sie in Schlepp und steuerte mit ihnen in Richtung auf die Küste zu. Heinz sann auf ein Mittel, um sich mit dem Kommandanten, dessen Gestalt er vorn auf dem Turm des U=Bootes ich scharf abheben sah, in Verbindung zu setzen, irgendwie zu signalisieren, um von dem U=Boot aufgenommen zu wer¬ den. Es fand sich keine Gelegenheit. Nur das Auge des alten Engländers sah er zuweilen mit halbem Mißtrauen auf sich gerichtet. Das U=Boot schleppte indes die Reihe der Boote durch die graue See. Das Gewölk zerriß, und der Mond warf seinen silbernen Schein über die schäu¬ mende Flut, einen metallisch glänzenden Widerschein über die schaumumwehten Wogenkämme malend. Aber der Wind frischte auf, die See ging höher und höher. Wie die Bälle flogen die Boote auf und ab. Eine graue Linie tauchte aus der brausenden Flut, ein dunkler Höhen rücken: die irische Küste. Da warf das U=Boot die Schlepptrossen ab, wendete

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