Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

308 sichtern eine stolze Freude. Was hatte für die nötigen Waffen gesorgt würde. doch jener Held gesagt! Und hier trug man sich mit solchen Ge¬ „Wenn Ihr nicht wäret.“ Ja, er danken? sollte sehen, Deutschland besaß nicht nur Sie schaute um sich. Die Maschinen in seinen Kämpfern Helden, auch das waren wieder im Gange. Arbeiteten nicht andere Volk drinnen, Männer und alle doppelt so rasch? Oder täuschte Frauen, wollten teilhaben an dem stol¬ sie sich? zen Wort: ein Heldenvolk. Als am späten Abend Tausende die Fabrik verließen, da lag auf allen Ge¬ Die Aktentasche. Skizze von K. Günther. Nachdruck verboten. Ganz unten in dem bescheidenen H inzenz Hubermeier war Sekretär im Bücherschranke, der eine Ecke des Hu¬ Ministerium des Innern, oder viel¬ bermeierschen Wohnzimmers ausfüllte, mehr er war es nicht mehr, er war lag die Tasche. Dort führte sie ein sanf¬ a. D., denn er hatte sich pensionieren tes Träumerdasein in der Nachbarschaft lassen, aber nicht bloß er allein, son¬ von Schlossers Weltgeschichte, dem klei¬ dern auch seine gute alte Aktentasche, nen Meyer und Schillers Werken. Ein die nun schon zwanzig Jahre lang dem köstliches Jydill, zu schön fast, um es einstigen Herrn Ministerialsekretär ge¬ bis in die Ewigkeit fortzesetzen! treulich ihre Dienste geleistet hatte. Sie Die alte Aktentasche träumte wei¬ war so recht eine Tasche aus der guten ter. Was ging sie der Weltkrieg an, alten Zeit, nicht geschniegelt und auf¬ was die Brotmarken, die Fleischnot, die fällig, sondern tief und viel Platz Fettknappheit, die Butterpolonäsen und darin, außen ein festes Schloß und ein andere mehr oder weniger unerquick¬ gut angenähter anständiger Henkel. Sie liche und peinvolle Dinge. hatte es auch nicht übermäßig schwer, Eines Tages geschah etwas Entsetz¬ denn Hubermeier benutzte die Tasche liches. Die Aktentasche wurde ihrem eigentlich nur zu zweierlei. Wenn er Träumerdasein entrissen. Vinzenz Huber¬ nicht gerade hie und da einmal ein meier hielt sie in seiner Hand, trat mit eiliges Aktenstück mit nach Hause nehmen ihr in die kleine Küche und vor seine mußte, um daran in ein paar Ueber¬ Frau hin. stunden zu arbeiten, so waren es doch Diese saß auf dem Küchenstuhl, in der Hauptsache die Frühstücksstullen machte ein betrübtes Gesicht und warf und Vesperbrote, bestehend in belegten ihrem Manne einen hilflosen Blick zu. Schinkenstullen, Wurstsemmeln oder „Ja — Vinzenzerle, was soll i denn welche die Tasche von Herrn Hubermeiers machen? 's Dienstmadl, die Kathi, ist Wohnung nach dem ziemlich entlegenen uns halt davongelaufen, weil's in der Ministerialgebäude zu befördern hatte. — Granatenfabrik besser bezahlt wird Sie und ihr Herr waren nach und nach Ja — wo soll i denn jetzt gleich a neie bei des Dienstes ewig gleichgestellter Uhr Magd hernehmen?“ ein bischen grau und unscheinbar ge¬ „Aber so reg' Di' doch net auf, worden und freuten sich beide, als die Frauerl! I bin ja a noch da, i nehm Stunde der Pensionierung schlug und halt meine alte Aktentasche und geh' da¬ nun die Zeit der wohlverdienten und mit einholen. Man muß sich halt in die gesegneten Ruhe gekommen war.

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