Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

305 e r Wenn Ihr nicht waret ... Zeitbild von Magda Trott. Nachdruck verboten. Und solch ähnliche Worte wieder¬ 20)4ieder einmal war vom Ferdinand holte jetzt der Schwiegervater. Wie oft Ses ein Brief gekommen. Er stand bei schon hatte man es aus seinen Munde Verdun und sehr viel gab es dort zu gehört: Wenn Ihr da draußen nicht tun. Der Feind war stark, man sparte gewesen wäret, was wäre aus uns ge¬ nicht mit Feuer und Blei, aber der Fer¬ worden? dinand schrieb voller Vertrauen, voll fro¬ So war ihr ganzes Dasein ein ein¬ her Zuversicht. Der alte Hannemacher ziger frommer Dank, eine scheue Bitte las den Brief einmal, zweimal, dann um Erhaltung der Leben geworden. reichte er ihn der Frau, und von dort Jahr für Jahr war über die blutige ging er zur Schwiegertochter, die sich Erde gegangen, und noch immer raunten damit abmühte, eine ziemlich zerrissene die Frühlings= und Herbstwinde nichts Jacke auszubessern. vom kommenden Frieden. Ihr kleiner So lasen sie es alle — und dann Sohn lernte die ersten Worte lallen, er schwiegen sie ein Weilchen. Endlich unter¬ fing an umherzulaufen, aber kein Vater brach der (Alte die Stille: „Wir haben war da, der ihn auf den Arm nahm, das vierte Kriegsjahr, was doch die Jun¬ der sich an ihm erfreute. Und kam er, gen da draußen alles leisten! Ja, wenn so waren es nur Tage, die er den Seinen das nicht alle solche Prachtkerle wären, schenken konnte. schon längst wären wir nicht mehr Und immer schwerer wurde draußen hier * der Kampf, und immer schwerer machte In die Augen der jungen Frau sich auch im Innern des Landes die Ent¬ stiegen langsam die Tränen. Sie dachte behrung fühlbar. Da nahm der alte zurück an ihr junges Glück. Sie hatte Hannemacher die einsame Schwiegertoch¬ lange warten müssen, bis sich der Fer¬ ter und den kleinen Buben zu sich ins dinand sein blondes Weib holte, aber Haus, das war billiger als zwei ge¬ endlich war es doch so weit. Was wa¬ trennte Wirtschaften. Und Gertrud kam ren das für herrliche Monategewesen, gern. Sie liebte die Eltern ihres aber nur Monate, dann kam der Krieg. Mannes. Der Ferdinand mußte hinaus ins Feld. Im Anfang ging alles gut. Als Als er dann wiederkehrte nach langen aber die Lebensmittel immer teurer wur¬ bangen Wochen, als er freudestrahlend den, überlegte das junge Weib, wie auch sein Weib in die Arme schloß, als er sie helfen könne, die Not zu lindern. die voll freudigen Stolzes berichtete, Sie vertraute sich dem Schwager an, Russen seien aus Ostpreußen vertrieben, der schon längst in einer Munitions¬ da hatte sie sich erschauernd an seine fabrik arbeitete, da er fürs Feld nicht Brust geworfen, und ihre zuckenden Lip¬ tauglich war. Er verdiente gut. Warum pen gestammelt: „Wenn Ihr nicht so sollte sie nicht auch nach einer Ver¬ heldenhaft gekämpft hättet, wenn Ihr dienstmöglichkeit suchen? Das Kind war nicht gewesen wäret, was wäre aus uns bei den Eltern gut aufgehoben. geworden?“ 20

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