Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1918

283. 7 S Tildes Nachkur. Eine Badegeschichte von Dora Hausschild. Nachdruck verboten. tigem Lächeln pflanzt er sich unmittelbar 11 .Klirrrr vor Tilde auf und sagt: Mama, mein schönes — „Oh „Nu — Fräulein, nur nicht traurig Brunnenglas ...!“ sein, Sie wissen doch, Scherben bedeuten „Aber Tilde . .. wie konnte das nur Glück ... Das schöne Glas ..!“ passieren ...!“ Bei den letzten Worten bückt er sich Vorwurfsvoll rief Frau Amts. hts¬ nieder und fegt gewandt die klirrenden rat Heise diese inhaltsschweren Worte in Scherben auf seine Schausel. der schönen Brunnenkolonnade eines idyl¬ lisch gelegenen, mitteldeutschen Badeortes „Ach —“ haucht beinahe Tilde an einem regenumwölkten Frühsommer¬ „zu gütig von Ihnen, nun bemühe ich morgen ihrer einzigen Tochter Mathilde Sie auch noch meinetwegen ...“ Frau Amtsgerichtsrat Heise sieht mit zu. „Tildchen,“ wie sie meist kurz ge¬ mißbilligenden Blicken ihre Tochter an. nannt wurde, war nicht schön, nicht hä߬ Dann sagte sie kurz und streng: lich ... Schlanke Figur, etwas stroh¬ „Komm, Tilde, halte Dich nicht län¬ blondes Haar, Sommersprossen, aber da¬ ger auf, Du weißt doch, ich muß um für ein seingeschnittener Mund und ein zehn ins Moorbad!“ Paar unendlich sanft blickende Augen ... Ohne den jungen Menschen eines Das letztere waren die Vorzüge von Blickes, geschweige gar eines Dankeswor¬ Fräulein Mathilde Heise. Nur blaß war tes zu würdigen, geht sie, erzürnt über Tilde . . . Dafür ging sie aber auch jedes den unliebsamen Zwischenfall, mit ho¬ Jahr mit ihrer Mutter in jenes kleine heitsvoller Miene weiter, etwas beschämt Bad und trank fleißig Brunnen ... folgt ihr die Tochter, deren Mienen tiefe eisenhaltige Ambrosiusquelle, wie sie der Niedergeschlagenheit ausdrücken. gestrenge Hausarzt für bleichsüchtige junge Am nächsten Morgen ist das herr¬ Mädchen zu verordnen pflegt. lichste Wetter. Schon frühzeitig, gegen Während Tildchen Heise noch ganz in ½ 6 Uhr, will Tilde nach ihrem Brunnen Verzweiflung das unglückselige Häuflein ist, gehen. Gerade als sie im Begriff von Glasscherben, die traurigen Ueber¬ aus der Haustür zu treten, kommt ihr reste ihres schönen Brunnenglases, an¬ der junge Mensch von gestern vormittag, starrt, kommt plötzlich aus dem großen der die Scherben ihres Brunnenglases in Milch= und Buttergeschäft, das in der der Kolonnade zusammenkehrte, mit zwei Brunnenkolonnade liegt, ein junger großen Milchkannen im Arm entgegen. Er Mensch herausgestürzt, mit Kniehosen, lacht. Sie lacht auch. Man kommt ins Schillerkragen, wirrem, unordentlich ge¬ Gespräch. Tilde hat wirklich eine treu¬ kämmten Haar und recht schmutzigen herzige Art, mit Milchmännern zu Händen, die eine Kehrichtschaufel und sprechen ... einen Besen halten. Mit einem gutmü¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2